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Pension Volkmann 28. Juni 03, Scheune Leipzig
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„Der
Clown geht nicht tot.“ Aber in Leipzig war er etwas müde. „Was soll ich Dir noch geben?“ Das war offenbar eine ganz symptomatische Frage an diesem Abend in der Stötteritzer Scheune, gestellt wurde sie von Peter Butschke. ‚Pension Volkmann’ haben sich wieder zusammengerauft und sich nach fünf Jahren getrennter Wege mit einem neuen Programm auf den Weg zu ihren „alten“ Fans gemacht. Die waren gekommen, mit großen Erwartungen, mit Neugier und mit einer ähnlichen Frage im Kopf „Was könnt Ihr uns noch geben?“ Idealer Weise hatte sich das Duo für seinen Leipziger Auftritt die Scheune ausgesucht. Die kleine feine Kulturstätte im Leipziger Osten bot mit ihrer liebevollen aber sparsamen Ausgestaltung eine familiärere Atmosphäre, ein harmonisches Ambiente. Blieben zwar die Zuschauerreihen mäßig besetzt, durfte man davon ausgehen, dass die anwesenden Zuhörer ganz bewusst hierher gekommen waren. 1983 gegründet sorgte ‚Pension Volkmann’ in den Achtzigern für den Aha-Effekt in der ostdeutschen Musiklandschaft. Das Duo stand für hohe Musikalität, scharfsinnige, gesellschaftskritische Texte und guten Unterhaltungswert. Sie erzählten von Idealen, von Gefühlen. Sie kritisierten in poetischer Hintergründigkeit und gaben damit Mut und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie kamen nicht als die Weltverbesserer. Sie waren keine melancholischen, weinerlichen Liedermacher. Ihre Lieder, zuweilen spitz und zynisch, machten nicht nur Mut sondern auch Spaß und gaben Kraft. Klar, dafür hatten sie sich auch mit einem der talentiertesten Meister des Liedtextes, mit Werner Karma zusammengetan. Ihm gelang, was nur wenigen deutschen Textern in dieser Perfektion gegeben war, in Metaphern, in poetischer Mehrdeutigkeit, feinfühlig knallharte Wahrheiten direkt und verständlich zu platzieren. Als Texter für ‚Silly’ übertrat er damit zuweilen die Grenzen des für die Staatsorgane Duldbaren. Musikalisch erschöpften sich die Songs von ‚Pension Volkmann’ nicht in wenigen Grundakkorden, wie sie manchem Liedermacher ausreichen mögen. Die Kompositionen und Arrangements des klassisch geschulten und rockbanderfahrenen Reinhard Buchholz waren sehr anspruchsvoll und dennoch eingängige und einprägsame Hits. In denen verarbeiteten sie Konflikte, mit denen sich zu dieser Zeit mehr oder weniger jeder „gelernte DDR-Bürger“ herumzuschlagen hatte, trafen den damaligen Zeitgeist, sprachen ihrem Publikum aus der Seele. |
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Dann kam die Wende und mit ihr ein gesellschaftlicher Umbruch, der sämtliche Bereiche des Lebens erfasste. Plötzlich waren viele zentrale Themen gegenstandslos, kamen ganz andere Konflikte auf die Menschen zu. Sie verloren und gewannen das Eine und das Andere und nicht wenige vielen von heute auf morgen in eine Krise, weil sie nicht schnell genug Neuorientierung fanden. Es gab keinen Bereich, der nicht zunächst in Frage gestellt wurde und sich neu behaupten musste. Das galt ganz besonders auch auf künstlerischem und intellektuellem Gebiet. Auch für die erfolgreiche ‚Pension Volkmann’ war durch die „Revolution oder wie man das nennen will“ (Peter Butschke) der Sinn weggebrochen. Die Ideale und Hoffnungen, für deren Verbreitung sie einst geliebt wurden, verloren ihre Bedeutung. „Gestrandet“ waren plötzlich viele bisher angesehene Künstler, weil die Masse begann ihre Wertvorstellungen zu überarbeiten und sich dazu erst einmal an neuen Einflüssen orientierte. Bevor ‚Pension Volkmann’ Mitte der Neunziger einige Jahre pausierten, veröffentlichten sie 1993 ihr drittes Album „Traumtänzer“ mit dem Song „Was soll ich Dir noch geben?“, den sie auch in der Scheune spielten. Ob Leipzig nun kommt oder „Nicht mehr?“ wollte Peter Butschke vorher noch wissen. „Jetzt kommen wir.“ Stellte er fest. Aber irgendwie hatte man auch den Eindruck von Frustration und vom Zynismus eines Hoffnungslosen. Es schien, als ob er intensiven Blickkontakt zu seinem Publikum eher mied, statt es offensiv in seinen Bann zu ziehen. Zu oft brabbelte er unverständliche Sachen in seinen Bart, als dass man ihm hätte folgen können, ihn akustisch und gefühlsmäßig hätte verstehen können. „Was soll ich Dir nun heute noch geben?“ fragte er uns, als hätte er bereits aufgegeben, uns etwas geben zu wollen. Und so vermisste man, das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das Gefühl, mit den Wünschen und Idealen nicht alleine zu sein. Dabei hätten ‚Pension Volkmann“ noch eine Menge zu geben. Denn gerade auch die „guten alten Lieder“, die sie mitgebracht hatten, sind heute nicht weniger aktuell. Schließlich lässt man die Wagen mit einer noch viel größeren Selbstverständlichkeit waschen und zieht sich in sein kleines Spießerdasein noch viel stärker zurück. Und wahrscheinlich waren die Herzen nie so kaserniert wie in der Neuzeit, in der man sich viel mehr noch einbildet, diese und jene Umstände und Notwendigkeiten wären unabwendbar. Die „schönen neuen Lieder“ erzählen auch wieder von den alltäglichen Begebenheiten, von Liebe, Trennung und vom Wunsch, ungeschminkt, unverstellt man selbst zu sein. Für die meisten der neuen Liedtexte ist wieder Werner Karma verantwortlich. Doch, offenbarte sich die Aussage früher besonders in den Schwingungen zwischen den Zeilen, und verstand man sie erst über die Gefühle und Assoziationen richtig, scheinen seine neueren Texte leider genau diese Qualität verloren zu haben. Kritik zynisch verpackt wird direkter und mit sehr viel weniger Mühe und Bedacht geäußert. Die Texte wirken so trotz inhaltlicher Tiefe simpler. Es blieb der Eindruck, dass der Clown, der verbissen behauptete, nicht tot zu gehen, sich heute mehr mit seinen eigenen Wunden befasst, als seinem Publikum Mut und Trost zu geben. Und so warteten wir auf die Schwingungen, auf „die Gefühle, diese unsagbaren Worte“ doch der Clown war gerade nicht auf Sendung. pepe |
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