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LE-Nightflight

Bericht

Johnny Winter

30. Juni 03, Anker Leipzig

 

Sag zum Abschied leise yeah! - Johnny Winter lichtet den Anker

 

Das Traurigste vorab: es war wohl der letzte Abend mit Live-Musik im altehrwürdigen „Anker“ in Leipzig. Ein Tanzsaal der das deutsche Reich mit zwei Weltkriege und den Kommunismus unbeschadet überstand scheitert jetzt an der finanziellen Misere der Olympiastadt in spe. Unterschriftensammlungen und vorbereitete Postkarten an den OBM werden nichts mehr ändern, deshalb war an diesem heißen letzten Junitag auch schwarz geflaggt.

Passend zur trüben Stimmung hatten sich die Macher noch einmal einen echten Kracher an Land gezogen, einen Meister der ach so traurigen Bluesmusik.

Und es wurde ein trauriger Abend. Der Anker war zum Bersten gefüllt, ein erwartungsfrohes Publikum ertrug im Vorprogramm tapfer einen bluesenden Alleinunterhalter namens Gwyn Ashton, dessen hervorragende Qualität darin zu bestehen schien, dass er als gebürtiger Australier von weit her kam. 

Die Temperaturen stiegen derweil in den subtropischen Bereich eines schönen sonnigen Sommertages auf einer Ranch in Alabama.

Schließlich wurde der Meister hereingeführt, die Gitarre hatte er schon umgebunden. Er musste nur noch richtig auf der Sitzfläche des Stuhles landen und schon ging es los. Die Band mühte sich, Johnny slidete auf dem Griffbrett herum und sang mit dünnem Stimmchen dazu. Kein erdiges „Rock’n’Roll people!“, kein ausgelassen kreischendes „Yeah“, nur ein solides, unspektakuläres Gitarrenspiel eines begabten Gitarristen. Ein richtiges Feuerwerk wollte einfach nicht zünden. Da waren die gespielten Titel zu biedere Standardnummern und vom hochgepriesenen Bluesharp-Spieler war leider nur recht wenig zu hören. Spätestens bei Rolling-Stones-Adaptionen wurde ein gravierender Unterschied zu anderen noch lebenden Musikern dieser Ära klar. 

Die Legende Johnny Winter ist der zwar blinde aber hoch motivierte Whitebluesgitarrist, der die Essener Grugahalle Ende der Siebziger rockte, dass es nur so krachte. Einer, dem die aufgesetzten Glashälse auf den Fingern wegschmolzen und der zwei Weltklasse-Rhythmusmusiker mit dabei hatte.

Sicher, der Mann ist nicht mehr dreißig, kann man mir vorhalten, aber es zwingt ihn auch niemand mehr auf Tour zu gehen.

Vielleicht hatte der Meister einen eher schlechten Tag, die Laune vermiesen konnte er den in Erinnerungen schwelgenden Fans aber nicht.

So wurde der Anker nach knapp eineinhalb Stunden letztmalig gelichtet und zurück blieb ein etwas schaler Beigeschmack.

Es gibt Augenblicke, wo der Lack von den Monumenten der Rockhistorie platzt und es ist eine ganz eigene Art von Blues, wenn es direkt vor deinen Augen und Ohren geschieht.

Olaf Schulze  

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