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Tanz- und Folkfest
04.-06. Juli 03, Rudolstadt |
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Magie und Mystik der Musik Drei Tage bewegte Europas größtes Folkfestival eine
verträumte Saalestadt. Faszination Folk. 60.000 Menschen drängeln sich durch ein
kleines Thüringer Kaff. Das Wetter legt eine Hitzepause ein, was
für die Musiker von der nördlichen Hemisphäre sehr angenehm
ist. Die Südländer erwärmen sich mit heißen Rhythmen. Er habe schon viel von Rudolstadt und dieser einzigartigen Atmosphäre gehört, sagte Hubert von Goisern, einer der ausgewiesenen Stars des eben zu Ende gegangenen Festivals der kreativen Folkmusik. Noch dazu sagte er es in bestem Hochdeutsch, was für den Erfinder des Alpenrock eher selten ist. Aber vorstellen habe er es sich nicht können, bis zu diesem 5. Juli, an dem im nächtlichen Heinepark Tausende Zuschauer begeistert seinen Worten und der wunderbaren Musik lauschten. |
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Hastalavista, da wackelt der Sombrero und die Senorita
wundert sich. (Fan beim Calexico-Konzert)
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Wunderbar ist das ganze Fest im wörtlichen Sinne. Verwundert sind Musiker und Zuschauer gleichermaßen, die
einen darüber, was da vor der Bühne abgeht, die anderen darüber,
was es doch für tolle Folk-Musik auf der Welt gibt. Und diese
Welt trifft sich zwischen dem Heinepark am Saaleufer (ein
Open-Air-Gelände, wie es niemals besser hätte konzipiert werden
können) und der altehrwürdigen Heidecksburg, die beeindruckend
über der kleinen Stadt thront. Einigen der Musiker beim diesjährigen TFF war die Verblüffung
wieder deutlich ins Gesicht geschrieben, ob der Begeisterung der
Folksmassen, die da vor ihnen wogten. Der eine oder andere ließ
sich dann auch einmal von der Bühne fallen und über den
Zuschauerraum weiterreichen, bis er sanft wieder auf der Bühne
landete. Stage diving nennen das die Experten und wenigstens der Sänger
und Frontmann der ausgezeichneten kanadischen Gruppe LES BATINSES
genoss es sichtlich auf Händen getragen zu werden. |
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Es ist schon ein eigenartiges Fölkchen in Rudolstadt.
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Über das Genießen komme ich wieder zum Baren zurück.
Bares konnten die Besucher reichlich loswerden für exotische
Speisen und ungewöhnliche Getränke. Musikalienhändler und
Instrumentenhändler in der Stadt, Händler für alles und jeden
im Park und die besten CDs der Folkszene zu erschwinglichen
Preisen. Ein wirkliches Fest. Faszinierend für mich ist in Rudolstadt immer wieder das
hoch disziplinierte Publikum. Bei jedem anderen Fest der Welt, auf
jedem Fußballplatz oder wo auch immer ein Bierwagen aufgestellt
wird, drängelt der Mob ungeduldig und anarchisch von allen Seiten
an den Gerstensaft heran und versucht mit den mitunter
groteskesten Mätzchen die Aufmerksamkeit des Zapfpersonals auf
seinen Durst zu lenken. Nicht so in Rudolstadt. Hier stellt sich
der Folkie brav in einer Reihe an und erträgt die Wartezeit
gelassen, weil er nebenbei von einer der Bühnen noch gute Musik hört. |
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Die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot: Blasen für die Weltrevolution.
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Auch für Musik stellt er sich geduldig an, der typische
TFF-Besucher. Ich reihte mich am Samstagnachmittag vor dem
Stadttheater ein (ordentliche Dreierreihe selbstverständlich ohne
wildwuchernde Menschentrauben vor der Tür) und wurde mit einem
Konzert der Gruppe YGGDRASIL von den Färöer-Inseln belohnt. Ein
absolutes Highlight, wie so viele beim 2003er TFF, über das es
sich stundenlang zu schwärmen lohnt, aber auf den Punkt gebracht
als grandiose Darbietung allerfeinsten Jazzfolks mit einer überragenden
Sängerin, die eine große Karriere vor sich hat, bezeichnet
werden kann. Das magische Instrument des Jahres war die Marimba und auch hier wieder Wunder über Wunder. Was beispielsweise der Norweger TERJE ISUNGSET auf seiner – nun, nennen wir es archaische Installation aus Holz und Steinen – Marimba bot war mehr als magisch. Das war schon mystisch, obgleich wir uns da nicht auf eine bestimmte Religion festlegen sollten, der diese Mystik entsprang. |
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Straßenmusiker verprügelt Mülltonne und wird noch frech.
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Der Länderschwerpunkt war Kanada und die schickten eine
ganzes Heer an herausragenden Musikern über den großen Teich.
APRIL VERCH steppte während ihres Geigensolos, ZUBOT & DAWSON
überzeugten auf der Burg, JORANE verzauberte mit ihrem irgendwie
unbegreiflichen Cello-Spiel und die Kohlengräber der Hölle, die
LES CHARBONNIERS DE L’ENFER, räumten auf den Tanzsälen ebenso
ab, wie die oben schon erwähnten LES BATINSES. |
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Dicke Backen bei den Calexico-Trompetern.
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Und dann war schließlich noch der regionale Brennpunkt auf Berlin gerichtet. Von dort kam der besondere Fun-Act des Festes, das OBERKREUZBERGER NASENFLÖTENORCHESTER: DER GRINDCHOR. Die Herrschaften mit ihren merkwürdigen Instrumenten veranstalteten eine völlig schräge Führung durch Berlin und den Rest der musikalischen Welt. Die POLKAHOLICS, eine Bande 2/4-Taktsüchtiger, mischte gleich dreimal das tanzwütige Publikum bis zur physischen Erschöpfung auf; die BOLSCHEWISTISCHE KURKAPELLE SCHWARZ-ROT forderte mehr revolutionäre Taten ein, wie bspw. dem Nachbarn das Bier umzuschubsen oder sich revolutionär von den Bänken vor der großen Marktbühne zu erheben. Zur Strafe für konterrevolutionäre Verweigerungen gab es dann phantastisch arrangierte Arbeiterkampflieder und andere internationale Revolutionsbrüller nostalgischer Art. |
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Musik macht Spaß! Für manche ist es aber harte Arbeit.
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Die italienische CHILLI BAND, die Ukrainer HAYDAMAKI, die
Letten ILGI, Englands Folklegende BLOWZABELLA, der ägyptische
Pop-Poet MOHAMED MOUNIR, die herrlichen Auftritte der Belgier
AMBROZIJN und so viele andere engagierte, talentierte, inspirierte
Musiker und Tänzer prägten das Wochenende in Ostthüringen. An
die 60.000 Fans walzten über die Marktstraßen und all die
anderen Spielorte. Und es soll nicht unerwähnt bleiben, dass dieses ganze
Spektakulum schon am Donnerstag mit einem überragend atmosphärischen
Konzert der amerikanisch-mexikanischen Band CALEXICO eingeleitet
wurde. Ein Konzert, das noch lange nachklingen wird und das in der
Erinnerung bleibt mit dem Gedanken: „Bloß gut, dass ich dabei
war.“ Die böse 13 haben die Macher des Rudolstädter Festes
locker und mit Bravour überstanden und neugierig richtet sich der
Blick nach vorn auf das 14. TFF 2004. Mit Sicherheit finden dann
die nächsten Wunder statt. Olaf Schulze; Fotos: John Kahnes
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