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Mitch Ryder "A Dark Caucasian Blue" Veröffentlichung: 13. Januar 2004, | ||||||
Mit seinem neuen Album “A Dark Caucasian Blue” erfüllte sich Mitch Ryder den schon lange gehegten Wunsch, ein Blues-Album aufzunehmen. Dies geschah nun im November 2003 in Berlin. Innerhalb von fünf Wochen wurde die Platte mit seiner europäischen Band ‚Engerling’ eingespielt, die am 13. Januar 04 in die Läden kommen wird. Der Titel bezieht sich auf das Schimpfwort ‚Caucasian’, das von Afroamerikanern für Weiße benutzt wurde und somit das Gegenstück zu ‚Nigger’ darstellt. Die Songs dieser Platte hat Mitch Ryder über längere Zeit verfasst, jedoch nie veröffentlicht. Damit sind sie nicht nur Spiegel für verschiedene Befindlichkeiten und Seelenzustände des Detroiter Sängers, sondern auch stilistisch sehr vielseitig. Sie demonstrieren sehr gut, wie viele Facetten der ‚Old Fashioned Blues’ haben kann, welche Einflüsse er aufnehmen kann, um sich selbst zu regenerieren. Eingeleitet wird die Platte durch ein reduziertes typisches 12taktiges Single-Note-Riff. Das geschmackvolle Piano-Solo zelebriert die Atmosphäre einer Bluesbar. „Yeah you right“ ist kein voluminöser und plakativer Opener, sondern ein sehr ruhiger Start! In dem folgenden Bob Dylan Song ‚From a Buick 6’ erweist Mitch Ryder seinem erklärten Idol die Referenz und Heiner Witte erhält die Gelegenheit, neben einem weiteren Piano-Solo von Wolfram Bodag seinen geschmeidigen Gitarrenton in einem Solo zu demonstrieren. Dennoch, eine reine Blues-Scheibe von Mitch Ryder hätte erstaunt und ist es auch nicht geworden. So würzt er ‚I guess I’m feeling blue’ mit reichlich Gospel und verleiht dem Refrain durch einen echten Gospelchor die nötige Authentizität. Der in einer depressiven Phase geschriebene Song beginnt durch einen satten unisono Riff mit reiner Blues-Rock Attitüde und führt damit zunächst auf die falsche Fährte, bekommt aber gerade daher Dynamik und Dramatik, ohne überladen zu wirken. Auf jeden Fall ist er eine der stärksten Nummern. ‚Detroit (by the river)’ ist eine Hommage an seine Heimatstadt. Dieser Song hat einen leichtfüßigen Reggae-Groove mitbekommen und räumt inhaltlich mit den Vorurteilen gegenüber der Motorenstadt auf. Beeindruckend wie Ryder hier den Refrain diszipliniert auf einem liegenden Ton singt. Wieder ein traditionelles ‚Old Style’ Bluesthema ist die Grundlage für das mit Akustikgitarre und Harmonika getragene ‚The Porch’. Thematisiert wird der Ausbruch junger Leute aus dem amerikanischen Kleinstadtmief. Das Gesangsthema wiederholt die Band im Frage-Antwort-Stil. Wie auf seinen früheren Alben positioniert sich Mitch Ryder auch auf der vorliegen Platte gegen den Krieg. Mit ‚Maikäfer fliege’ interpretiert er in deutsch ein Kinderlied. Kriegswaisen hatten es nach dem 2. Weltkrieg gesungen. Sein Solo über dem Knistern alter Schellackplatten bildet das Intro zu ‚The New Mother’. Hier schlüpft Ryder in die Rolle eines israelischen Familienvaters, dessen Frau im Kriegseinsatz ist. Die Angst um den Verlust der Mutter und Frau stellt die Verbindung zu dem Kinderlied her. Sehr emotional aufrüttelnd wird der Titel auch durch den Einsatz des Gospelchors und die im Hintergrund präsente Orgel sowie die abwechslungsreichen Rhytmuspattern. In ‚God Won’t You Help This Child’ setzt ebenfalls der Gospelchor dem in typischem 12takt-Schema strukturierten Blues das Sahnehäubchen auf, welches einmal mehr dem altbekannten Muster eine eigene Note hinzufügt. Sehr schön hier der flirrende Orgelsound im B3-Gewand. Fast schon Power-Rock-Tendenzen zeigt dagegen das wütende ‚Another Bout With Justice’, mit dem Ryder aus eigenem Erleben heraus gegen das geldgesteuerte Justizsystem Amerikas ansingt. ‚Dicidedly British Blues’ wirkt durch die modalen Intervallschritte wie ein Kirchenlied, ist aber die Interpretation eines Themas von Ludwig van Beethoven. Und noch einmal anders wird das Klangbild im letzten Song des Albums, in ‚How how how how (the spider gets hungry)’. In diesem Tagtraum geht ein ‚Pretty Young Girl’ einem alternden Bluesman ins Netz. Die Pausen zwischen den Textzeilen füllt Heiner Witte mit satt gezupftem Stratocaster-Ton in Knopfler Manier über dem geschlossen durchlaufenden Backing der Band. In allen Songs bereiten ‚Engerling’ den passenden Background und zeigen ihr internationales Profil. Die Band setzt selbstbewusst und souverän Ryders Intentionen in Musik um und unterstützt in jeder Weise angemessen die weit gefächerten Inhalte. Mit dem vorliegenden Album ist es Mitch Ryder gelungen, verschiedene Blues-Stile zu benutzen, sie mit Gospel- und Rock-Facetten sowie guten Hooks auszuschmücken und ihnen so die eigene Trademark zu verleihen. Trotz des musikalischen Detailreichtums ist der Sound sehr natürlich gehalten und behält dadurch einen erdigen, ehrlichen Gestus. Eine raue Perle, die man sich vielleicht erst aneignen muss, die sich nicht gleich beim ersten hören erschließt. Dafür ist der gewonnene Eindruck nachhaltiger im Sinne eines Klassikers. flo Veröffentlichung am 13.Januar bei Buschfunk unter 00912.
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Mitch Ryder European Tour 2004 |
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