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LE-Nightflight

Interview

Dirk Zöllner

14.03.2004, Moritzbastei, Leipzig

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Stiller war es um Dirk Zöllner geworden nach der Auflösung der Rock/Funk/Soul-Band ‚Die Zöllner’ 1997. Einige Soloprojekte, unter anderem die Veröffentlichung seines Albums „Zöllner Classics“2000, hielten ihn natürlich in der guten Erinnerung. Aber insgesamt verlief sein musikalisches Schaffen eher außerhalb des großen Rampenlichtes. Aufhorchen lässt jetzt eine Tour zusammen mit Rolf Stahlhofen, die beide Sänger zur Zeit durch das Land führt. In der Moritzbastei Leipzig fand er am 14.03.04 Zeit für ein Gespräch mit dem LE-Nightflight.

Lange war nichts von Dirk Zöllner bzw. von den Zöllnern zu hören. Das 2000 erschienenes Album „Zöllner Classics“ war eines der raren Highlights der letzten Jahre. Für dieses Album, das mit Violine, Kontrabass und Piano eingespielt wurde, zog er die Unterstützung des Trio Bravo hinzu. Bekannte Titel, vorwiegend aus der Zöllner-Ära, wurden so mit komplett anderen Stilmitteln interpretiert. Die Scheibe zieht damit einerseits ein bisschen das Fazit aus bisherigem ohne lau aufzuwärmen und beendet andererseits augenscheinlich diese Phase. Grund, auf das Kommende neugierig zu sein, gibt es also genügend. Wir fragten, wie sieht Herr Zöllner seinen Weg nach den ‚Zöllnern’.

DZ: ‚Die Zöllner’, die Band mit den vielen Bläsern, die wahrscheinlich die meisten kennen, gab es ja nur bis ’97. „Für mich hatte sich dieses Thema erschöpft. Ich habe mich plötzlich sehr für Computersachen interessiert. Und irgendwie bildete ich mir ein, etwas neues machen zu müssen, um diesen konventionellen Weg zu verlassen. Ich habe ’98 eine Art Drum’n’Bass-Projekt gemacht. Da sind wir auch mal hier aufgetreten, nur Groove und Sound, ohne große Songs. Ich hab' nur geschrieen oder irgendwelche Samples abgerufen. Das war für mich ganz wichtig. Wenn man immer in einer Band spielt, fühlt man sich auch als Bestandteil einer Band und ist sich nicht bewusst, dass man selber da was ausmacht. Ich habe immer nur in einer Band gespielt und habe mich eigentlich in den letzten Jahren freigeschwommen. Da war diese ‚Classics’ eine Sache. Ich habe ein Soloalbum gemacht ’99 und drei ganz verschiedene Projekte, ‚Die drei Heiligen’ mit André Herzberg von Pankow und Dirk Michaelis, ‚OSTENde’ mit IC Falkenberg (aka Ralf Schmidt) und diese Symbiose. Im Mai werde ich eine nächste Soloplatte herausbringen. Die heißt ‚Wo ist der Hund’. Und dann werden wir damit auf Tour gehen.

LE-N: Ist Rolf Stahlhofen mit an der Platte beteiligt?

DZ: Ich hoffe sehr. Ich habe ihn gerade gefragt. Ich meine, wir lernen uns gerade erst kennen. Wir werden einfach sehen, was nun passiert. Ein paar Sachen ergeben sich. Rolf würde gerne einen Zöllner-Song aufnehmen und in seiner Art interpretieren. Einen Song wollen wir gemeinsam aufnehmen, von dem ich hoffe, dass der dann auch auf meiner neuen CD sein wird. Wir gehen die Sache unverkrampft an. Wenn wir einfach mal regional übergreifend die ein oder andere Begegnung haben - darum geht es.

LE-N: Die Anbahnung der Geschichte lief über Achim Zetzmann, wie kam das zustande?

DZ: Ich kenne Achim noch mit den Herzbuben. Ich kenne ihn seit ’88. Ich hatte helles Glück, dass ich gleich nach der Wende eine Plattenfirma gefunden hatte. Da habe ich ein A-cappella-Stück aufgenommen. Und dann habe ich an meinen Freund Sebastian (Krumbiegel) gedacht und habe gesagt, kommt doch mal nach Berlin, könnt ihr mir mal einsingen? Und das haben wir im Hansa-Studio aufgenommen. Parallel wurde da eine Sendung gemacht. So eine Art Talenteshow. Ich kannte da einen und hab' gesagt, na schau doch mal, hier ist eine Ostband und die können tierisch geil singen. Und auf dem Flur haben die ‚Herzbuben’ a cappella ein Stück gemacht, übrigens den Song weiß ich noch ganz genau, der heißt jetzt „Fahrrad“. Bei dieser Show haben sie Annette Humpe kennen gelernt. Und ich bin sozusagen eigentlich einer der Urheber vom Erfolg der ‚Prinzen’. Das wolln’se aber nicht mehr wissen. Geben mir nichts ab.

LE-N: Das ist ungeheuerlich. Ja, Herzbuben sind wirklich schon lange her.

DZ: Und die haben mich damals gefragt, ob ich mitmache. Aber das war mir nichts. Und da haben ’se Tobias Künzel genommen.

LE-N: Ja, die spielten damals noch in anderer Besetzung.

DZ: Und dann kamen die plötzlich, hatten eine Single raus. Das hat erst keinen interessiert. Und ein halbes Jahr später plötzlich hat sich das irgendwie festgehakt. Mit Sebastian habe ich immer telefoniert und der hat gesagt „ohr Scholle, wir haben schon 5000 Singles verkauft." Ne Woche später - „Scholle wir haben fünfzehntausend verkauft. Und so ging das immer weiter. Der konnte es gar nicht fassen. Und aus dieser Zeit kenne ich auch Achim. Wir haben uns danach viele Jahre nicht gesehen und jetzt eben hier. 

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LE-N: Und der Schritt Trennung von den Zöllnern und ganz alleine stehen, erst mal, bloß mit seinen Ideen und den Gehversuchen natürlich auf neuem Terrain - war das für dich ein schmerzlicher Prozess?

DZ: Nein. Ich habe mich deshalb getrennt, weil ich dieses Gefühl hatte, dass sich diese Symbiose erschöpft hatte. Ich bilde mir ein, in der Musik ist es ganz wichtig, das man Sex hat. Es gibt ja viele Beziehungen, die sagen, na wir können doch auch so irgendwie zusammenleben. Aber in der Musik funktioniert das hundertprozentig nicht. Wenn man da nicht was miteinander empfindet oder erlebt, da kann man keine Kunst mehr machen. Dann ist es nur noch Tanzmusik. Und wenn man zehn Jahre lang in einer Besetzung ist und nicht den Kick hat, dann wiederholt man sich. Also, dieses Gefühl hatte ich. Und es war für mich nicht schmerzlich. Ich bin kurz nur mit dem Kinn aufs Pflaster geschlagen, hab' gemerkt „Ach du Sch...“, jetzt geht’s ja vielleicht doch nicht so weiter, wie ich’s gewohnt war.

Aber ich habe jetzt viele Erfahrungen gemacht in der Zwischenzeit. So dass ich merke - ob ich nun mit meiner Band spiele oder ob ich mit einem Pianisten spiele – es kommen trotzdem ähnlich viele Leute. Und darüber habe ich erst mal gelernt, dass es nicht nur um die Musik geht, sondern dass es auch um personality geht. Ich habe darüber das Selbstbewusstsein gelernt, dass die Leute wegen mir kommen und nicht nur wegen einer Band. Insofern ist mir das natürlich sehr angenehm.

LE-N: Das gibt ja auch Sicherheit für die Projekte, die man sonst noch so vor hat.

DZ: Na ja es ist meistens so, man mag ja immer das, was man nicht kann. Also, mir geht’s jedenfalls so. Ich habe anfänglich immer höher gesungen, als ich konnte, schneller oder meine Stimme verstellt. Und jetzt kriege ich langsam mit, dass die Leute mich mögen und das ist natürlich sehr angenehm.

LE-N: Auf der anderen Seite hast du aber jetzt durch die Band von Rolf Stahlhofen sicherlich auch wieder den Kick gekriegt, wie das ist mit so einer richtigen Groovemaschine im Hintergrund.

DZ: Für mich ist das so, als wenn ich wieder zu hause bin. Die Zöllner waren ja stilistisch eine ähnliche Band. Aber ich spiele nach wie vor immer mit einer Band. Also das schönste ist für mich die Begegnung mit den neuen Leuten. Ich leiste mir den Luxus, ganz unterschiedliche Sachen zu machen und somit nicht immer zu reproduzieren. Man kann ja nicht jeden Tag einen neuen Song machen – und manchmal verschleißt sich etwas. Und ich habe festgestellt, es kommt drauf an, mit welchen Leuten man etwas zusammenspielt, dann wird es immer neu. Und man entdeckt immer neue Nuancen in der Musik. Darum geht es mir eigentlich.

Für mich ist das Energie. Also, was zu erfinden oder neu zu durchleben. Ich bringe meinen eigenen Themen rüber ohne daran zu denken, etwas für die Menschen zu machen, sondern ich zeige mich, ich versuche mich irgendwie bloßzustellen. Und es ist natürlich wunderschön, wenn darauf Leute einhaken. Insofern ist es für mich so was wie eine ungeheure Genugtuung und etwas sehr schönes. Ich denke ja nicht in den Kategorien, Musik zu machen für goldene Schallplatten, sondern ich sehe mich als Arbeiter. Also wie ein Arbeiter eben in einem Betrieb arbeitet, arbeite ich in meiner Musik. Und für mich ist Minimalstrecke, dass ich versuche davon zu leben. Und das erfüllt mich. Alles andere ist befremdlich. Wenn ich mir die Musik ausgesucht habe, dann deshalb weil ich es nicht mag, in einem bestimmten Kreis in einem Betrieb zusammen zu sein mit Menschen, die mir einfach vorgesetzt werden. Ich möchte mir gerne die Menschen aussuchen, mit denen ich mein Leben verbringe. Und dazu ist Musik einfach die ideale Kiste.

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LE-N: Experimentiert hast du ja eigentlich schon immer. Mal mit größerer, mal mit kleinerer Besetzung, mal mit Streichensemble. So kennt man ja die Zöllner eigentlich auch. Ich kenn' deine Geschichte schon von ‚Chicoree’ her. Da gab es so einen Club in Grünau, Völkerfreundschaft.

DZ: Leipzig Grünau? Nee Metrum hieß der.

LE-N: Daher kenne ich das. Und bin natürlich auch deshalb sehr gespannt, was die neue Platte bringen wird. Nun ist die Konstellation mit Rolf Stahlhofen und Zöllner fast eine Idealbesetzung.

DZ: Das ist schon sehr schön. Aber es ist trotzdem ein Joint Venture. Er würde hier im Osten vielleicht 30 bis 50 Leute haben und mir geht es genauso, wenn ich im Stuttgarter Raum spiele. Es war heute wunderbar, die Leute waren großartig, haben ganz stark reagiert. Aber heute kamen die wenigsten Leute. Also es hat sehr gut funktioniert. Wir haben die ganze Woche gespielt, jeden Tag. Und darum geht es. Aber dass wir uns auch noch so gut verstehen, ist ein Ding obendrauf. Und wir sind ja sehr unterschiedliche Menschen, Rolf und ich. Er ist ein sehr männlicher Entertainer und ich muss gucken, wie verhalte ich mich dazu. Wenn ich das selber mache, ist das irgendwie weicher, glaube ich.

Im Mai kommt eine neue CD raus und ich habe mich dazu entschlossen, eine ganz kleine Band zusammenzustellen, damit ich die Möglichkeit habe, so etwas ständig zu machen, noch jemanden dazu zu holen, Rolf oder einen Keyboarder oder ein paar Bläser. Ich habe jetzt eine Band erwischt, der Drummer ist der von den Rainbirds, der jahrelang bei den Rainbirds gespielt hat, seit 1990. Der Bassist hat bei Nina Hagen gespielt und bei Della Miles und als Gitarristen nehmen ich den, den ich hier mitgebracht habe. Weil ich merke, dass das genauso mein Ding ist, so ein Projekt offen zu halten und zu gucken, wer kommt da vorbei.

LE-N: Das wäre auch eine Frage gewesen. Ist jetzt doch die Lust gewachsen oder ist es vorstellbar, dass man so eine Zusammenarbeit zum Beispiel mit Rolf Stahlhofen oder so einer Truppe wie Trio Bravo in erweiterter Form mal durchziehen würde?

DZ: Ja. Nächstes Jahr habe ich das vor. Nächstes Jahr habe ich 20jähriges Bühnenjubiläum und da würde ich nicht die Zöllner mit den Bläsern wieder zusammen führe. Ich würde aber gerne dort ein bisschen Las Vegas Show machen. Ich würde gerne die Bläser dazuholen, würde den Matthias Lauschus dazuholen, der mein jahrelanger Freund und auch ein wesentlicher Punkt bei den Zöllnern war, und den Keyboarder André Gensicke. Und ich würde gerne die ganzen Sachen, die ich in den Jahren gemacht habe, ein bisschen verbinden, André Herzberg, Dirk Michaelis, IC, Rolf Stahlhofen oder Krumbiegel, mit dem ich sehr befreundet bin. So dass es eine Party ist.

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LE-N: Zur neuen Platte vielleicht, Werner Karma hat ja für die Zöllner unheimlich viele Texte geschrieben. Auf der „Zöllner Classics“ hattest du viele eigene Texte beigesteuert - natürlich die alten Songs von den Zöllnern auch mit rein genommen - aber das neuere war eigentlich mehr von dir. Auf der neuen Platte wird wohl wieder Werner Karma wieder einen größeren Anteil haben?

DZ: Er wird sehr stark dabei sein. Werner Karma ist mein Hero. Ich liebe ihn schon immer. Er ist ein Philosoph, nicht einfach nur ein Texter. Und ich habe auch noch den Vorteil, dass ich mit ihm befreundet bin. Er schreibt nicht auf Halde, wie viele Texter es machen, sondern wir quatschen und ich sage „das möchte ich gerne mal rüberbringen“. Das Problem ist, wenn ich selber Texte mache, dann ist es immer ein bisschen peinlich, sich in einer bestimmten Art und Weise zu öffnen. Und er hat einfach so eine Art, für mich Bilder zu schaffen, die sind für mich so wie Stellen in einem Buch, die man gerne unterstreichen möchte. Er schreibt für mich speziell. Er lässt auch zu, dass ich darin was ändere, auch Sachen ablehne. Obwohl er eigentlich ein sehr spezieller Mensch ist, lässt er es bei mir zu. Und er ist eigentlich auch der einzige, von dem ich Texte nehme. Es gibt vielleicht so zwei, drei Sachen, die ich von anderen genommen habe.

Auf dieser Platte wird er soviel vertreten sein, wie noch nie. Es hat auch mit der Situation zu tun. Das war einfach so, es hat ewig gedauert. Ich habe immer etwas dazwischen geschoben, die drei Heiligen, Osten.de, weil es eine komische Zeit war. Ich hatte eine Trennung von einer Frau. Ich konnte einfach nichts machen. Diesmal hat er bestimmt 80 % von den Sachen getextet.

LE-N: Es geht eigentlich auch dem Zuhörer so, mir jedenfalls wenn ich Texte von Werner Karma höre. Man hat das Gefühl, man hätte es zwar nie so sagen können, aber es immer so sagen wollen.

DZ: Das freut mich. Also, Werner Karma, da scheiden sich auch die Geister. Manche sagen, ach das ist mir zu tief, das strengt mich an. Andere lieben das. Für mich ist es zum Beispiel so. Ich möchte ja auch noch mit 60 und 70 Jahren Musik machen und ich denke, mit der Qualität, die Werner Karma hat - die mir vielleicht nur ab und zu mal gelingt durch Zufall, die der aber stetig hat - kann man in würde auch noch Musik machen, wenn man 60 ist. Und darum geht es mir auch. Also mit diesen Texten, ich glaube die gelten immer. Niemand anders macht diese Art von Texten.

LE-N: Es sind genau auch diese Lieder, die in verschiedenen Gewändern immer wieder eine andere Sichtweise, ganz andere Perspektiven eröffnen. Das finde ich interessant und deswegen begrüße ich auch das Experiment, dass ein Song der erfolgreich war, nicht immer wieder genau so präsentiert wird. Dadurch ist Musik eigentlich lebendig.

DZ: Es passiert schnell, dass man einfach nur abspult. Und das ist auch eine Gefahr. Manchmal läuft das nur so raus und man empfindet gar nichts mehr dabei. Gerade Käfer auf’m Blatt. Warum die Leute das so mögen, weiß ich selber nicht. Da geht mir alles mögliche durch den Kopf, nur nicht mehr der Inhalt. Meisten geht mir durch den Kopf, dass mal einer vor der Bühne stand. Der guckte ganz böse. Ich singe „Käfer auf’m Blatt, was ist das schon“. Und der brüllt so in die ganze Menge „du Arsch“. Das habe ich zum Beispiel immer vor Augen. So dass ich mir dann kaum das Lachen verkneifen kann. Das ist dann stärker als der Song für mich, diese Erinnerung. Aber wenn Rolf das singt und emotional aufnimmt und neu entdeckt, dann wird es wieder lebendig.

LE-Nightflight dankt für das Gespräch!

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