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LE-Nightflight

Bericht

Nina Hagen und die Leipzig Big Band

Montag 31.05.2004, Gewandhaus, Leipzig

So kennt man sie - diese extravagante Diva, die eine zauberhafte Fassade aus Kostüm, Schminke und Klamauk aufbaut, um dahinter mädchenhaft, schalkhaft vorzuzwinkern. Es war nicht so schwierig, an der Fassade vorbeizuschauen, um in Leipzig auch eine ernsthafte Seite der Frau Hagen zu entdecken, die diszipliniert bemüht war, ihr Publikum zu unterhalten, ihre Arbeit gut zu machen, die Erwartungen zu erfüllen. Und das tat sie alles auch wirklich gut. Aber sie überraschte auch nicht. Scheinbar gefangen in ihrer Rolle trat sie leider nicht aus ihrem eigenen Schatten, um den Beweis ihrer Vielseitigkeit anzutreten.

Ihre Schmetterlinge wollte sie frei lassen. Die hatte sie nämlich schon so lange in ihrer Seele. Mit ihnen hätte sie zu neuen Ufern ihrer Interpretationskunst schweben können. Singen hat sie von der Pike auf gelernt. Darstellen kann sie. Ein starkes Charisma hat sie sowieso. Warum sollte sie dann nicht auch in ihrem neunundvierzigsten Lebensjahr mit völlig neuen Facetten ihres künstlerischen Schaffens überraschen können?

Ziemlich pünktlich 20:00 Uhr schlendern die Musiker der Leipzig Big Band in den Konzertsaal, nehmen Aufstellung am Bühnenrand und setzen einen prägnanten Auftakt mit satten wie ebenso exakten Bläserakkorden. Die Augen funkeln, sie lachen verschmitzt. Sie haben nicht lange gebraucht, um das gespannte und vorfreudige Publikum mitzureißen. Die erste Runde geht an die Bigband. Swing vom feinsten. Die Bläser lösen sich beständig mit Soli ab, wofür sie jeweils nach vorn treten. Nicht nur gute Show, auch erstklassiges Spiel! Eine Big Band mit Weltklasse eben, die Saxophonist Frank Nowicky seit 1999 zielgerichtet zum Erfolg führt. Die hervorragenden Musiker der regionalen Jazzszene und teilweise Mitglieder des Rundfunkblasorchesters arbeiten nicht umsonst mit internationalen Stars wie zum Beispiel dem Trompeter Allen Vizzutti zusammen und wurden von MDR Kultur für dessen gesamte Jahresproduktion 2001 verpflichtet.

Die Titel, die an diesem Abend zu hören sein werden, sind gut bekannte Standards, „Over The Rainbow“, „Sugar Blues“, „Fever“, „That’s Why The Lady Is A Tramp“. Aber mit dieser Vitalität, der Power und den gekonnt anderen Arrangements, für die Größen wie Peter Herbolzheimer verantwortlich zeichnen, hat man sie wohl selten gehört.

Dann kommt sie, mit Schirmchen und Handtasche, in schwarzem Mieder, weißem Tütü, um die ewig langen Beine schwarze Plateaustiefel geschnürt. Schon ihr Auftritt ist eine Show. Ehe Nina Hagen bereit ist, ihren ersten Titel zu singen, muss sie noch mal in ihr Täschchen schauen, das Näschen schnäuzen. Dann geht’s aber los. „Let Me Entertain You“ – das wird ihr Motto des Abends bleiben. Nicht nur bei „I Want To Be Happy“ springt sie wie eine Tanzmaus über die Bühne. Sie bewegt sich gekonnt. Es ist eine Freude ihr zuzuschauen. Und von der Saalempore aus kann man sich gut von ihrem mädchenhaft jugendlichen Erscheinungsbild täuschen lassen.

Gesanglich war sie den Swing-Klassikern auf jeden Fall gewachsen. Mit ihrer Eigenart ließ sie diese in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Das von Herbolzheimer arrangierte „Fever“ begann mit subtilen Querflötenklängen. Nina Hagen interpretierte den Titel mit knisternder Hitze entsprechend der schwül-heißen Stimmung, die sich schwer von der Big Band her ausbreitete. Spätestens bei „That’s Why The Lady Is A Tramp“ röhrte sie und rockte. Die Band rockte mit ihr. Was man zumindest in den oberen Rängen vermisste, war Stimmvolumen und Kraft. Zuweilen ging ihre Stimme ganz im Big-Band-Sound unter. Das lag weniger an Ninas zarter Stimme, die Röhre kannte man! Es lag wohl eher an der Ausrichtung der Mikrophone. Ihr Duettpartner Lucas Alexander kam dahingehend besser weg. Seine kraftvolle und voluminöse Stimme setzte sich in jedem Fall durch. Die derbe und laute Art seiner Interpretationen kam allerdings nicht gut an. Insgesamt schienen ihre gemeinsamen Auftritte nicht gut durchdacht und wirkten eher schlecht improvisiert.

Für ein Highlight des Abends sorgte ein anderer Gast – David Timm an der Orgel. Mit soviel Spaß ging wohl selten ein Publikum zu Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge d-moll ab. Die verjazzte Variante begeisterte und führte zu neuen musikalischen Ufern. Zu solchen neuen Ufern eben, die man gerne mit Nina Hagen auf den Schwingen ihrer Schmetterlinge erreicht hätte. Denn wer geglaubt hatte, an diesem Abend eine bisher unbekannte Seite der Nina Hagen entdecken zu können, der wurde sicherlich etwas enttäuscht. Professionell und perfekt zog sie ihre Masche durch. Kostümierung, schrille Show, provokanter Klamauk – genau das kannte man von ihr, so mochte man sie, mancher vielleicht auch nicht. Die Interpretationen waren auf jeden Fall anders als bisher gehört. Das war interessant und gut. Nina Hagen drückte den Titeln zu sehr ihre Marke auf. Dadurch fehlte leider die Überraschung.

pepe

 

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