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LE-Nightflight

Interview

Alex Gunia - Part 2

Weiterer musikalischer Weg - Wandel im Musik-Business

Alex Gunia

 

Part 1 > Blick auf den Jazz - Musikalische Entwicklung - Arbeitsweise

 

Part 3 > Blick auf die Szene - Equipment

 

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LE-N: Prinzipiell: dein Weg wird sich sicherlich auf den beiden Peace-Platten aufbauen und weiterbewegen. Aber könntest du dir auch vorstellen, wieder eine traditionellere Platte nebenbei zu machen.

AG: Ich habe schon jetzt ein paar Projekte. Ich hab ein Duo mit einem Techno-live-Musiker. Im Technobereich ist es ja so, dass Live-Acts ganz groß im kommen sind oder schon länger im kommen sind. Der RockAcyd, das ist so ein Guru der Techno-Szene. Er macht astreinen Technosound, auch experimentell. Ich spiele Gitarre dazu und mache Sounds. Das ist dann Peace-Hoch-Zwei. Das ist wirklich so was von elektronisch, für mein Verständnis. Für das Verständnis des Techno-Musikers ist es total akustisch. Finde ich auch interessant. Ich mache aber auch gerade ein Gitarren-Duo mit Lothar Müller aus Hannover. Das bauen wir so ganz langsam auf. Er ist ein sehr interessanter Gitarrist. Bestimmt wird es irgendwann mal wieder ein Matalex-Album geben. Das wird bestimmt so sein, wie Matalex früher war. Aber da warte ich noch ein bisschen, bis Fusion wieder so richtig angesagt ist. Ja und akustische Musik - klar bei dem ganzen Krach, den ich so veranstalte seit 4 Jahren, ist es auch mal ein Bedürfnis, ein Projekt mit Akustikgitarre zu machen. Auf jeden Fall. Das ist halt auch wieder was ganz anderes.

Das Problem ist nur im Moment bei mir, die Gitarre langweilt mich so ein bisschen. Ich finde den Sound der Gitarre manchmal ein bisschen langweilig. Nach all den Jahren interessiert mich alles andere fast mehr, als Gitarre zu üben und traditionelle Gitarrensounds abzuliefern. Also ich mache es. Ich mache es auch im Studio. Ich hab ja auch ein Studio, wo wir viel produzieren, auch Popmusik. Und ich spiele natürlich auch viel im Studio, nicht unter meinem Namen, sondern einfach so als Studiomusiker. Klar, mach ich alles, macht dann auch Spaß für den Moment.

Aber das sind auch ganz getrennte Sachen. Das eine ist für den Moment, zum Geld verdienen, zum zwei Stunden Spaß haben mit einem Co-Produzenten und danach aber nichts mehr mit der Sache zu tun zu haben. Und das andere ist halt mein Baby, also meine Musik. Und das ist, wo ich mich als Künstler sehe. Aber ich glaub, aller paar Jahre muss man sich erneuern. Das war ja auch der Schritt, Matalex aufzugeben und einfach was anderes zu machen.

LE-N: War der Schritt für dich ein Sprung ins kalte Wasser. Du sprachst selber vom Hinwerfen und was ganz Neues beginnen.

AG: Ja Ja. Auf jeden Fall. Ich mein’, die Zeiten haben sich halt sehr geändert. Es war vor zehn Jahren, 1994, ungefähr die Zeit als wir angefangen haben, mit Matalex zu touren. Da war das so - wenn man in einem Club einmal gespielt hat, waren da 100 Leute, weil sowieso immer 100 Leute zu einem Jazzkonzert kamen. Da kamen aber im Jahr drauf 160, 170, wenn nicht 200 und auch mehr. Ich kann mich an Situationen erinnern, wo wir vor ausverkauftem Haus gespielt haben mit Matalex. Und heute ist das anders. Heute spielen Musiker jeglicher Güteklasse und jeglichen Bekanntheitsgrades. Wenn das nicht top durch ein Festival organisiert ist, wenn das einfach Clubtouren sind oder Clubgigs, da spielen alle auch oft vor leeren Häusern. Und das zehrt einfach total. Das zehrt an den Nerven, das zehrt am Portemonaille, das zehrt an der Kreativität. Das blockiert den Künstler total. Weil, man macht ja Jazzmusik, um dem Publikum was zu bieten. Man lebt ja für die Live-Konzerte. Und im traditionellen Verständnis sind ja Jazz-CD’s nur eine Momentaufnahme eines Konzerts. Das hat sich schon alles sehr verändert.

Mir war die CD-Produktion immer schon wichtig. Und weil ich ein eigenes Studio habe, kann ich halt auch bei mir lange an einer Platte arbeiten. Das ist für mich einfach eine neue Art, mit Musik umzugehen. Ich hab noch das große Glück, meine Platten verkaufen sich halbwegs gut. Das hab ich mir wahrscheinlich erarbeitet, so einen Käuferstamm. Aber, das weiß ich auch von unserer Arbeit auf dem Label, es gibt ja Platten, die Leute verkaufen so wenig, das kann man gar nicht glauben. Das ist die Zeit.

Das ist im Pop ja auch. Da werden ja ständig die Verkaufszahlen für Gold und Platin heruntergesetzt, damit die sich weiter ihre Platinplatten gegenseitig verleihen können. Die Verkaufszahlen schrumpfen ja. Du kommst heute mit sechs-, siebenhundert verkauften Singles in die Popcharts. Und ich meine, sechs-, siebenhundert verkaufte Singles – das macht die Plattenfirma auch mal gerne selber. Da kommt der Act in die Popcharts und da gibt es wenigstens mal wieder ein Verkaufsargument: Ja hallo, wir sind in den Charts.

Alex Gunia

LE-N: Da ist es für dich nicht eine Belastung sondern ganz einfach eine Notwendigkeit, das bei dir zu bündeln, das Management mit der Produktion?

AG: Ja das ist ja Realität. Ich muss mich ja fragen, will ich Musik machen oder nicht. Und am Ende – der Punkt, den ich erreichen will ist, Platten zu machen, die halbwegs gut verkauft werden und zu spielen, live zu spielen. Und wenn ich vor zehn Jahren hundert Gigs im Jahr gespielt habe und jetzt mit meinem Projekt nur noch zwanzig spiele, dann ist das halt so. Wenn morgen Krieg währ und alles kaputt währ, müsste ich danach auch anfangen, mein Haus wieder aufzubauen. Das ist halt jetzt die Zeit und ich kann ja nicht aufgeben. Es hat ja keinen Sinn. Ich hab ja nur ein Leben. Ich kann ja nicht bis zum nächsten Leben warten, ehe ich dann wieder Musik mache. Und dass es vor zehn Jahren besser war, ja gut da war’s halt besser. Aber vielleicht ist es in zehn Jahren noch viel schlimmer, dann träume ich von 2004, wie schön das war. Ich finde das halt schade. Das ist so eine deutsche Mentalität unter deutschen Musikern. Die geben echt auf. Also da gibt es super viele, die zum Beispiel Ende 70er/Anfang 80er sehr viel gespielt haben, auch kannten, dass zu Jazzkonzerten nicht hundert Leute kamen sondern fünfhundert. Und die aber sich einfach heute im Alkohol ergehen und sagen ‚ja scheiße, alles scheiße’. Aber das gilt für mich nicht. Für mich geht das immer weiter. Es geht auch immer auf und ab. Und wer weiß, vielleicht gibt es ein unglaubliches Jazzrevival irgendwann.

Und es ist eigentlich heute schon so, dass die Konzerne sagen, dass die Jazzabteilungen eigentlich Profitcenter sind. So nennen die das immer. Die Industrie an sich setzt ja auf Jazz. Sonst würde die Firma Universal zum Beispiel nicht so einen ‚Boohigh’ machen um ihre Jazzabteilung. Das einzige Problem das ich sehe, dass die natürlich versuchen, ihren Katalog zu verkaufen. Das heißt, denen ist es nicht wirklich dran gelegen, die nationale Szene zu unterstützen, obwohl sie in Deutschland sitzen und auch das Geld dazu hätten. Die machen dann mal die Mardi Grass Big Band, Götz Alsmann und Till Brönner. Finde ich alle super, astrein. Aber es gibt noch ganz viele andere Musiker. Und es gibt allein in Köln so großartige Gitarristen, vor denen ich nur den Hut ziehen kann. Aber die durften ihre letzte Platte dann auch leider vor acht Jahren veröffentlichen oder haben noch nie ’ne Platte gemacht. Und das ist halt schade, dass die Industrie da nicht so einen Bildungsauftrag hat. Aber ham’se halt nicht. Da darf man nicht nörgeln. Das muss man einfach realisieren, sich klar machen.

Und heut zu Tage - glaube ich - ein Musiker muss sich einfach selber vermarkten. Das ist wichtig. Ich hab vor vielleicht vierzehn Jahren - als ich mit meinem Studium fertig war und geguckt hab’, was kann man überhaupt machen und wo geht die Reise hin - da habe ich einen Verlag kennen gelernt. Das war ein ganz kleiner Verlag in Köln, in einer Wohnung. Ich hab nur gehört, die machen irgendwas mit Herbert Grönemeyer. Da ich aber vorher drei Jahre in Amerika war, wusste ich gar nicht so genau, wer das ist. Dann hab ich das so langsam mitgekriegt. Und was ich so interessant fand, da gab’s so ein Telefon. Das war rot oder grün. Ich weiß es nicht mehr. Das war Herberts Telefon. Und das hat auch den ganzen Tag geklingelt. Und da sind auch immer die drei Leute, die bei dem Verlag gearbeitet haben, dran gegangen. Der hat sich einfach um alles selber gekümmert. Der hat sich um’s Catering gekümmert, die Technik auf Tour, wie wird gereist, wie geht’s mit den Hotelzimmern. Also klar, der hatte Unterstützung. Aber im Grunde hat der die Fäden in der Hand gehalten. Das schon 1990 Herbert Grönemeyer! Und ich glaube, dass das einfach ein Grund dafür ist, dass der so groß geworden ist.

LE-N: Hieß die Firma Intercord?

AG: Nee Kick war das, Kick Musik. Es war ein Verlag, der ist danach riesengroß geworden. Die haben dann Pur gemacht, auch von unten nach oben. Die haben P. Werner gemacht und Marius Müller Westernhagen und Herbert Grönemeyer. Und die haben alle Acts von unbekannt zu großen Stars geführt. Die Firma ist natürlich explodiert danach, aber na ja, egal. Aber was ich halt sagen wollte ist, dass auch so Leute wie Herbert Grönemeyer die Fäden immer selbst in der Hand halten. Und der macht auch heute sein eigenes Label, ’ne wunderschöne Internetseite. Ich glaub es heißt auch Grönland. Das war ja schon immer sein Verlag. Und jetzt hat er auch so ein Label. Ja, der ist an allen Fronten unterwegs.

LE-N: Die Schwierigkeit, die jetzt im Geschäft aufgetreten ist, ist also gleichzeitig auch eine Chance, für Leute, die den Biss haben und den Willen, weiterzukommen, also eigentlich auch eine Chance, an den Firmenkonsortien vorbei das Ding zu machen, so im Direktkontakt auch mit dem Publikum?

AG: Ja. Absolut. Ich mein’, nach außen - was ist der Unterschied? Wenn man eine gute Platte aufnimmt mit guten Musikern, ein gutes Cover macht und ’ne gute Promotion - das kann man heute alles selber machen. Denn auf die Instrumente, die die Firmen ja heute alle auslagern - kannst du ja auch als kleines Label zurückgreifen, zum Beispiel auf die freien Promoter. Und viele von denen unterstützen das auch und machen dir auch andere Preise als den großen Firmen. Ich sehe das absolut als Chance. Wenn man professionell mit dem Thema umgeht und von den großen lernt, dann kann man sich an vielem vorbei jonglieren. Und das kann durch ganz dicke Türen gehen und auf ganz großen Bühnen spielen. Das alles kann man im Grunde mehr oder weniger selber machen. Das kann man. Das ist nur viel Arbeit. Das ist auch sehr unangenehm teilweise. Weil, du beschäftigst dich mit Dingen, mit denen willst du dich eigentlich als Musiker nicht beschäftigen. Aber wie gesagt, man muss es halt machen.

LE-N: Ich weiß zum Beispiel - was man nun vielleicht nicht unbedingt erwarten würde - dass Mike Stern im Wesentlichen seine Sachen auch selber macht. Und dass er aber nicht einmal einen Verlag hat.

AG: Ja. Er macht vieles selber. Ob er nicht einmal einen Verlag hat, weiß ich nicht. Aber er macht vieles selber. Er war ja bei ESC, bei diesem Label, das es so in der Form nicht mehr gibt. Das gibt’s jetzt anders, wird weitergemacht. Aber da ist der jetzt auch nicht mehr. Der hat jetzt auch schon wieder irgendein neues Label. Ja klar, der war früher bei Atlantic und da ist er irgendwann gedroped worden oder weg gegangen oder was weiß ich. Und klar, der muss jetzt auch gucken, wo er ein kleines Indie-Label herkriegt, was ihm seine Platten veröffentlicht.

 

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