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LE-Nightflight

Bericht

‚SOOSHEE’ - Geburtstagsparty

Freitag, 18. Februar 2005

Moritzbastei, Leipzig

Joo Kraus & Oleg Rovner

 
Geburtstag feiern mit ‚Sooshee’ – schöne Idee. Perfekte Organisation von der stilvoll gestalteten Einladungskarte bis zum Tischschmuck versprach schon im Vorfeld Extraklasse. Dass die Musik wieder Extraklasse sein würde und abfeiern ließe, daran bestand für die ‚Sooshee’-Fans ohnehin kein Zweifel. Für die Band und ihre Gäste ist es hingegen vorher nie ganz sicher, wie sich das Konzert entwickeln wird. Denn jeder Gig ist ein absolut improvisiertes Unikat. Absprachen gibt es keine. „So weiß keiner, was wir spielen werden, wir selber auch nicht. Wir können nur sagen ‚ja, wir spielen irgendwas’ Und die Leute - es ist eins klar, sie sollen ja tanzen.“ Meint dazu der Bassist Stefan Locher.

‚SOOSHEE’ übersetzt man im übrigen so: Aufeinandertreffen von vielen partyhungrigen Menschen mit schicker Bühnenshow. Andere anwesende Personen tanzen zu dieser noch nie gehörten Musik bis zur Extase oder bis in den frühen Morgen.

Fernöstlich anmutende Gestecke auf allen Tischen, ein Lichtermeer aus Kerzen, noch betriebsames Geflitze - Einlass wird erst in einer guten Stunde sein, die Spannung knistert bereits. Was vergessen??? Nein. Alles perfekt. Professionell im Detail. Hier im Café Barbakane werden dann also die Gäste mit angenehm jungem Bar-Jazz empfangen und in den drei Pausen unterhalten. Zum essen und genießen wird natürlich Sushi angeboten. Wie viele Gäste kommen werden, weiß niemand. Eigentlich gibt es da keinen Grund zur Sorge. ‚Sooshee’-Konzerte werden gewöhnlich immer von mehreren hundert feierlustigen Leuten besucht. Und doch – sicher ist man erst, wenn man’s weiß. Und das ist im Moment noch nicht der Fall. Die Spannung bleibt.

Sooshee Party
Vor vier Jahren wurde das Projekt von Leipzigern und Wahl-Leipzigern ins Leben gerufen. Die meisten von ihnen waren damals noch Studenten an der Musikhochschule. Seither gibt es mit verlässlicher Regelmäßigkeit ‚Sooshee’-Konzerte – nicht nur, weil es das Publikum will. Auch den beteiligten Musikern machen diese Abende besonderen Spaß. Praktisch ist, man muss nicht proben. Dafür erfordert ein ‚Sooshee’-Abend jedes Mal besonders große Aufmerksamkeit und Konzentration.
Joo Kraus
Im Publikum merkte man davon wenig. Am Anfang verrieten konzentrierte Gesichter hin und wieder die Anspannung. Noch passierte nichts spektakuläres. Langsam machte sich die Rhythmusfraktion bestehend aus Frank König am Schlagzeug, Bassist Stefan Locher und Jadié Santos zusammen mit Gitarristen Andreas Moisa daran, den Groove zu finden. Joo Kraus und Oleg Rovner, die heutigen Gäste an Trompete und Saxophone stießen hinzu. Der Applaus galt nun wohl im Besonderen dem Trompeter, der als quasi Stammgast vom Publikum mit Freude erwartet worden war. Mit vorsichtigen, sparsamen Tönen, die sie sich zuspielten, begannen die Bläser sich einzumischen. Auch mit dem AirFX-Controler begann Joo Kraus sehr sensibel zu experimentieren. Noch geizten alle mit den Tönen. Doch langsam kochten sie nun die ganze Schoße hoch bis es richtig groovte. Die Stimmung breitete sich auf und vor der Bühne aus. Und dabei kam man ohne plakative Soli aus. Der spezielle Joo Kraus – Sound wird bekanntermaßen von seinem weichen, samtigen Ton und dem effektiven, melodischen Spiel bestimmt. In Oleg Rovner fand er einen ebenbürtigen Kompagnon am Saxophon. Hinsichtlich Spielphilosophie, Klang und Feeling passten die beiden Blechbläser unheimlich harmonisch zusammen. Sie gaben nicht volles Rohr, keine schmetternden Soli. Gemeinschaftssounddienlich fügten sie sich ins Gesamtkonzept und unterstrichen gerade hierbei ihre spezielle Note.
Oleg Rovner
Mag Joo Kraus, der Bundespreisträger von „Jugend musiziert“ 1985, gerade durch ‚Tab Two’ der bekanntere Name sein, so ist auch der jüngere Oleg Rovner längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Nach dem 1. Platz beim Landeswettbewerb „Jugend jazzt“ 1996 nahm er 1999 beim „La Villette Jazz Festival“ in Paris teil. 2002 wurde er von Peter Herbolzheimer ins Bundesjazzorchester ‚BuJazzo’ geholt. Noch zwei weitere Gäste kamen auf die Bühne, der Berliner Freestyle-Rapper MC Ben begrüßte rappend das Publikum, Platnum alias Ruth Maria Renner, in Leipzig spätestens bekannt seit dem ‚Cultured Pearls’ Gig zum 450. Geburtstag der Moritzbastei im Sommer 2003, tat Selbes in bescheiden zurückhaltender Art mit leiser aber schöner, sympathischer Stimme. Noch etwas ungläubig stand sie da neben den Kollegen auf der Bühne, als ob sie sich selbst noch die Frage stellte, weshalb ihr die Ehre zuteil geworden war, hier mit dabei zu sein zu dürfen. Die erste Dreiviertelstunde verflog schnell. Die Musik floss und swingte, Klänge inspirierten die Akteure zu Klängen. Joo Kraus schickte Geräusche seiner Stimme durchs Trompeten-Mikro und erzeugte immer wieder sehr hintergründig und geschmackvoll verfremdete Klänge mittels seines Effect-Controlers. Der DJ scratchte noch ein paar schöne Sounds hinzu. Man konnte sich schon mal wohlfühlen.
Platnum alias Ruth Maria Renner
In der Pause waren noch nicht alle Gäste in allen Punkten zufrieden. „Die Sängerin hat ja kaum gesungen. Warum heißt die dann Sängerin, wenn sie nicht singt?“ Schon mit Beginn des 2. Sets sollten die Mädchen dann aber voll auf ihre Kosten kommen. Platnum bekam und nutzte ausgiebig die Chance, ihre wunderschöne, hervorragend ausgebildete, soulvolle Stimme auf dem Soundteppich der Band schweben zu lassen. Das Publikum war begeistert, man könnte sagen „platt“. Wie eine reife, erfahrene Souldiva hatte Ruth Maria Renner ihre Stimme unter Kontrolle, schaffte sie die Synthese zwischen perfekter Beherrschung und Gefühlsüberschwang. Der Berliner Freestyle Rapper MC Ben, der zu Beginn noch etwas Mühe zu haben schien, sich ins Programm zu integrieren, war mittlerweile auch warm geworden und antwortete der Sängerin in seiner Art. Er konnte später noch mit Zungenakrobatik beeindrucken, wenn er zum Beispiel das Scratchen einer Platte imitierte.
Sooshee Band
Insgesamt gab es an diesem Abend drei Sets mit musikalischer Fineart, viel Groove, einen interessanten stilistischen Mix in den jazzige Loungemusik, satter Funk, Reggae und Dub, HipHop, Soul ebenso wie experimentelle elektronische Klänge auf harmonische und abwechslungsreiche Weise Verbindung fanden. Die virtuosen Musiker bewiesen ihre Meisterschaft mehr im Zusammenspiel als in ausschweifenden Soli. Der einheitliche Bandsound stand im Vordergrund. Gemeinsam kochten sie die Gefühle immer wieder auf kleiner Flamme langsam hoch, bis es mächtig brodelte und groovte.
Andreas Moisa
Natürlich traten die einzelnen Musiker zur Bandvorstellung auch mal mehr in den Vordergrund. Jadié Santos, der vielseitige Brasilianer (gelernter Buchhalter!), der mit ‚Cabeljau’ beim „Großen Preis 2003“ zu sehen war, sorgte für feine, maßvolle Percussions. Alexander Krause vertrat an diesem Abend Steffen Greisiger würdig an Fender Rhodes und Keyboards. Nach der letzten Pause bediente der ehemalige Richie-Beirach-Schüler und Mitglied der Sooshee-Stammbesetzung aber wieder selbst die Tasten. Andreas Moisa begleitete mit der satt funky klingenden halbakustischen Ibanez und lies ebenso wunderbare rockige Sololinien hören. Am Saxophone versuchte Oleg Rovner ganz harmlos zu erscheinen. Es gelang ihm nicht. Schon bald war klar, dass er ein erstklassischer Musiker mit samtigen Ton und feinem Stil ist. Der erfolgreiche Trompeter Joo Kraus, dem die Suche nach Neuem, nach Herausforderung wichtiger ist, als den ihm gebührenden Ruhm gezielt einzusammeln, machte keine Show um seine Person sondern schien konzentrations- und gefühlsmäßig voll in der Musik aufzugehen. Die Turntables bediente Sooshee-Sound-Koch Mr. T-Rox alias Thomas Schröck. Er hatte diesen Abend keine Pause, denn er war auch zwischen den Sets für den richtigen Beat in der Veranstaltungstonne verantwortlich. Doch sein Gezappel und sein strahlendes Gesicht verrieten, dass ihm selbst Spaß machte, was er auflegte.
Steffen Greisiger
Das Drum-Set wurde unter Frank König zur Music-Box (der Fast Food Funketeer spielte ebenfalls bei ‚Miyukah’ und ‚Grosskopf’). Er entlockte Trommeln, Snare und Becken einen souveränen Groove und rollte mit spielerischer Leichtigkeit über das Set, wechselte mühelos zwischen den Rhythmen. Das wirkte alles äußerlich unspektakulär, kam ohne heiße Trommeleinlage aus und begeisterte um so mehr durch Filigranität. Entsprechendes lässt sich auch über den Bandleader sagen. Stefan Locher beeindruckte ebenfalls mit absoluter Präzision, spielerische Leichtigkeit und großer Musikalität. Er ließ sich in dieser Runde nicht vorstellen sondern nutzte ein wenig später innerhalb eines Instrumentalstücks die Gelegenheit, seine Klasse herauszustellen. Würde er eine Viertelstunde Bass-Solo bringen, wäre das weit mehr als nur die Überbrückung der Bierpause der Band. Alles an ihm groovte, wenn er über seinen voll und fett klingenden Bass slappte oder ihn zur Rhythmusgitarre umfunktionierte.
Stefan Locher
Nachdem im letzten Set zur Vorstellung der Band MC Ben auf die Bühne gerufen wurde, bemerkte Joo Kraus: „Wir haben noch jemanden vergessen.“ Vom Publikum die ungeduldige Antwort „Hol die Frau raus!“. Lächelnd und mit Sicherheit ziemlich froh über diesen Zuspruch kam nun Platnum wieder und wurde stürmisch begrüßt. Jetzt folgte noch eine wunderschöne Soul-Nummer, die Joo Kraus mit einem warmen, leisen Ton ausklingen ließ.
MC Ben

Das dritte Set war dann schließlich zehn vor halb vier zu Ende. Die Musiker fühlten sich irgendwie fertig und völlig ausgelaugt. Sie glaubten wohl, es wäre in Ordnung, bereits jetzt die tolle Party zu beenden. Doch das Publikum war noch wild auf Zugabe. Und da körperliche Schmerzen oder Erschöpfungserscheinungen nichts gegen den Wunsch der musikhungrigen Gäste zählen, ließen die Profis sich natürlich schnell zu einer letzten, schönen, groovenden, etwas relaxteren Jazz-Nummer breitschlagen, die nun auch als gelungener Schlusspunkt akzeptiert wurde.

 

pepe

 

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