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14. Bundesweites Jazznachwuchsfestival Pinx, Andreas Böhmer Quartett, Yoshiwara Donnerstag, 31. März 2005, Moritzbastei, Leipzig |
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Jazz
– kein Genre dürfte vielschichtiger sein,
widersprüchlichere Formen unter seinem Dach
vereinen aber auch kontroversere Ansprüche bei den
Künstlern wie auch beim Publikum wecken. Wie muss
Jazzmusik also sein, um zu Recht diesen Titel führen
zu dürfen? Die Antwort gibt es wohl so wenig wie es
den Jazz gibt. Vielleicht könnte man sich auf zwei,
drei wesentliche Grundfeste verständigen:
Offenheit, Originalität, musikalisches Können. Das
Lebendigste und Zukunftsweisendste findet man dabei
häufig bei den jungen Musikern, die sich noch
unvoreingenommen und in keiner Richtung festgelegt
mit verschiedenstem Material und Möglichkeiten
auseinandersetzen. Seit nunmehr vierzehn Jahren
treffen sich Deutschlands Nachwuchskader in Leipzig,
zeigen regelmäßig hohen Anspruch, bereits große
Professionalität und werden immer besser. Traditionell findet das Festival in der Veranstaltungstonne statt. Für den Eröffnungsabend musste diesmal aufgrund von Terminüberschneidungen auf den Oberkeller ausgewichen werden. Das tat dem Geschehen aber keinen Abbruch, schaffte eher eine engere, familiärere Atmosphäre, die den mindestens partiell wahrnehmbaren, eiskalten Luftstrom ein wenig wett machte. Musikalisch wurde am Donnerstag von drei Jazz-Bands ordentlich eingeheizt. |
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Einen würdigen Festival-Auftakt setzte die Berliner Formation ’Pinx’ Das war unverschämt selbstbewusste Musik. Die Kompositionen stammen aus der Feder des Schlagzeugers Rudi Fischerlein. Kraftvolle, prägnante Töne von Trompete und Saxophon, starke Melodien, ordentlicher Drive von Schlagzeug und Elektrobass (Fabian Kalbitzer), Witz und große Spiellaune sowie ein hervorragendes Zusammenspiel zeichnete den ersten Beitrag aus. Richard Kochs Trompete schien immer ein bisschen, die Diva zu sein und sein zu dürfen. Engagiert erzählte sie, war ein ganz wichtiger Darsteller. Das Saxophon Sebastian Borkowskis hörte bereitwillig zu, begnügte sich häufig mit der Rolle des verständigen Begleiters. Ein Stück hatten sie „Langsam“ genannt. So ein Titel klingt zunächst etwas einfältig, stellte sich aber schließlich als sehr treffend heraus für ein ruhiges, nachdenkliches, äußerst intensives Stück. Experimentell und feinfühlig gingen Schlagwerker und Saxophonist mit den Klangmöglichkeiten ihrer Instrumente um. Nachdenklich, melancholisch, gefühlstief führte Richard Koch ein weiteres Mal die Melodie bevor das Stück zum Schluss wieder an Drive und Kraft gewann. | |||||||
Für das Examenskonzert des Gitarristen fand sich das ‚Andreas Böhmer Quartett’ 2002 zusammen. Glücklicherweise ist es keine Eintagsfliege geblieben. Die Musik, von Böhmer komponiert, wurde vom Rest der Band mit Phantasie und großer Improvisationsfreude umgesetzt. Leichtfüßig, flüssig begann ihr erster Titel und bewegte sich doch weit abseits von beliebiger Lounge Musik. Nicht zuletzt waren hierfür auch die abwechslungsreichen, vielschichtigen Rhythmen des Schlagzeugers Martin Greule wie die manchmal auch sperrigen Sounds und verschlungenen aber einprägsamen Melodien Steffen Greisigers (Fender Rhodes) verantwortlich. Ein gelungener Einstieg! Mit „Waiting For The Doctor“ ist ihnen dann ein originelles Szenenbild gelungen. Geschnatter, Unruhe, spannende Geschichten, die sich Gitarre und Keyboard im Wartezimmer erzählen, waren hautnah mitzuerleben. Das Gitarrensolo wurde abrupt vom Hupton der Rufanlage (Keyboard) unterbrochen. Das ‚Andreas Böhmer Quartett’ konnte mit originellen, phantasiereichen Improvisationen punkten, die interessant, spannend, kurzweilig und äußerst virtuos vorgetragen wurden. | |||||||
Das Hamburger Bandprojekt ‚Yoshiwara’ gründete sich ursprünglich für die Produktion des Soundtracks eines Kurzfilms. Seinen Namen erhielt es nach einem Stadtteil in Tokio. Dass die fünfköpfige Crew am Donnerstag im Festivalprogramm stand war kein Zufall. Zwei Tage später würde sie bereits nach Japan reisen, vielleicht ja auch diesen Ort Yoshiwara kennen lernen. Sie kamen nicht in Originalbesetzung. Für den Schlagzeuger Knut Feddersen musste Jacob Thein an Laptop und Percussion einspringen. Den Kontrabassisten Giorgi Kignaze ersetzte David Alleckna am E-Bass. Die vorhergehende Nacht hatten die beiden mit Thomas Burhorn (Trompete) und Sebastian Borkowski (Saxophon) bis in den Morgen geprobt, zum ersten Mal in dieser Besetzung! Das spricht für ziemlich viel Mut, die Qualität des Ergebnisses für ziemlich hohes Können und Professionalität. So ließ das starke Zusammenspiel der Formation keine Ersatzlösung ahnen. Der starke Groove der Neulinge hatte es in sich und war ohne Frage wesentlich für den Gesamteindruck. Wenn Alleckna auf seinem Bass slappte, klang das ganz schön funky. | |||||||
Die Percussion, für die Jacob Thein auch schon mal raschelnde Tüten nutzte, spielte er oft direkt in den Computer, erzeugte Hall und Echo und ein exotisches Gemisch aus Blubbern, Brausen und Rauschen, Vogelschreien. Seine Sounds waren stimmig und interessant. Sie gehörten ab sofort zum Projekt, keine Frage. Schließlich wagten sich ‚Yoshiwara’ noch an eine Coverversion des Miles-Davies-Titels Tutu. Die absolut eigenständige Interpretation, die dem Titel einen völlig neuen, sehr viel derberen, lauteren, modernen Charakter verlieh und eigentlich nur das plakative Frontthema erkennbar ließ, legitimierte das Wagnis. Dem Publikum hat’s gefallen, die Kritiker waren zufrieden und die Veranstalter erleichtert. Die Eröffnung des Festivals war schon mal ein schöner Erfolg.pepe |
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