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Heike Engel Geschäftsführerin des Anker e.V. Leipzig 23.04.2005 |
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Das
Festival „Leipzig. Courage zeigen.“ einschließlich
des im Vorfeld stattfindenden Jugendfestivals
befindet sich bereits im achten, beziehungsweise im
siebenten Jahr. Es ist damit schon fast zur
Institution geworden, auf die sich die Stadt und
ihre Bürger verlassen. Zurecht? Zumindest im Bereich des Denkbaren läge, dass es das Festival einfach mal nicht mehr gäbe. Steht oder fällt es doch mit seinen Initiatoren. Ein organisatorischer Kraftakt ist solch eine Großaktion ohnehin. Da braucht es ein eingespieltes und erfahrenes Team. Angesichts der jährlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung ist aber noch viel mehr nötig, als Organisationstalent und Fleiß. Wer nicht gerade zu den furchtlosesten der Optimisten gehört, könnte irgendwann auch mal entmutigt sein. Im Rahmen der Vorausscheide des diesjährigen Bandwettbewerbs sprach der LE-Nightflight mit einer der zentralen Figuren des Organisatoren-Teams, mit der Geschäftsführerin des Anker e.V. Leipzig, Heike Engel. Brauchen wir „Courage“? Zum guten Schluss wird diese Frage jedes Jahr wieder mit ‚Ja’ von den Förderstellen beantwortet. Mal schneller und mal später, mal engagierter und mal weniger überzeugt. Auch unser Oberbürgermeister misst diesem Thema jährlich eine differenzierte Bedeutung zu. Man könnte zwar glauben, dass das Sujet zu jeder Zeit die gleiche Bedeutung inne habe, dass es nicht durch einmalige Aktionen wie beispielsweise eine Olympiabewerbung relativiert werden könnte, doch das ist offensichtlich naiv. (2005 ist ein Jahr, in dem er sich mal wieder ganz persönlich um das Thema kümmert und öffentlich macht.) |
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Ein ganz anderer Aspekt spielt kurioserweise auch noch eine sehr wichtige Rolle. Das sind äußerlich wahrnehmbare Tatsachen, mit denen sich das immer gleichermaßen vorhandene Problem ab und an stärker ins Bewusstsein drängt. „Wir haben dieses Jahr eigentlich Glück gehabt durch die NPD, die uns sozusagen geholfen hat, dass wir wieder mal die Fördermittel bestätigt bekommen haben. Diesmal vom Jugendamt, da sind wir sehr glücklich.“ Kurios, komisch, lustig oder traurig, dass Frau Engel das so sagen muss? Jedes Jahr um die selbe Zeit heißt es, dass es nie ganz klar ist, ob „Courage“ stattfindet oder nicht. Aber für die Außenstehenden ist es eigentlich immer klar, dass es stattfindet und letztendlich findet es ja auch statt. Was ist davon zu halten? Ist es einfach Koketterie der Veranstalter? „Nein, ich denke, das hat mit Koketterie nichts zu tun. Das hat eher etwas mit der Fördermittelvergabe, um die wir jedes Jahr kämpfen müssen, zu tun. Weil es nie klar ist, wo wir die Gelder her kriegen, wo wir sie überhaupt beantragen, ob beim Kulturamt der Stadt, beim Jugendamt.“ Soviel zur Planungssicherheit. Das man so ein großes und umfassendes Event planen und vorbereiten muss, ist selbstverständlich. Auf Sicherheiten kann man bei soviel Entscheidungsfreude aber nicht warten. Doch treu und verlässlich sind die Jugendlichen. Für die wird’s gemacht. Sie sind wohl auch die größte Motivationsquelle, neben der Verantwortung, der man sich bewusst ist. Über den Zuspruch der jungen Leute muss man sich gar keine Sorgen machen. In der Hinsicht ist das Festival schon zum Selbstläufer geworden, auch mit minimalistischem Werbeetat. Da stört es nicht, dass das Interesse nicht nur auf der „großen Sache“, sondern zunächst mal auf dem Eigennutz beruht, hier entweder für wenig Geld richtig was zu erleben oder, sich als Band präsentieren zu können. Dieser Egoismus ist aber gut und gewollt. Solange Jugendliche für etwas Interesse besitzen, für Sport, Musik, Natur, andere Menschen ..., ist kein Platz für Sinnleere und keine Zeit für Langeweile. Gibt es eine bessere Prävention vor Gewalt? |
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Die Vorentscheide waren auch dieses Jahr gut besucht. Wir wollten wissen, ob da mittlerweile auch ein bisschen was für die Clubs hängen bleibt, die nicht wenig Eigeninitiative und Ehrenamt in die Sache stecken. „Die Vorentscheide waren dieses Jahr überdimensional gut besucht. Wir haben im Schnitt immer über 200 Leute gehabt. Das hatten wir, glaube ich, noch nie. Und natürlich, die Leute in den Clubs machen das alles ehrenamtlich. Doch für die Clubs bleibt das Geschäft plus minus null. Denn, du hast ja trotzdem noch Ausgaben. Nicht die Ausgaben, die wir sowieso abrechnen, die Plakate, die gefördert werden als Werbe-Kosten, die Technik-Kosten. Du hast bestimmte Kosten, die du einfach gar nicht abrechnen kannst wie Telefonkosten, Portokosten, Betriebskosten ... Diese Gelder müssen irgendwie im Haus eingespielt werden, zum Teil über die Gastro.“ Und doch hat das Festival auch eine große Bedeutung für die Clubs, entfaltet es seine Werbewirkung über den April hinaus, bleibt auch etwas übers Jahr hängen an Publikumszustrom. So konnten die Veranstalter mehrere positive Feststellungen machen. Zum einen ziehen die Bands nicht nur ihre Leute aufgrund der Publikumswertung an, Auch die einzelnen Bands, die in den Vorausscheiden gespielt haben, besuchen die anderen Vorausscheide. Zum anderen gibt es auch immer mehr Leute, die sich sagen „Mensch, dort willst du nächstes Jahr auch stehen“. In diesem Zusammenhang gründen sich viele Bands extra für das Festival und bestehende stecken noch mal viel Energie in die Probenarbeit, um im nächsten Jahr selbst dabei sein zu können. Und was den Anker betrifft, so gibt es hier mittlerweile mindestens vier, fünf ähnliche Festivals im Jahr. Zwar nur einen Tag, aber an dem spielen dann drei, vier Bands, die zum Teil auch schon in den Courage-Ausscheiden dabei waren. „Da haben wir jetzt eine richtige Reihe.“ Erzählt Frau Engel stolz und weist auf den 10.06.2005 hin. Dann treffen nämlich ‚Ska-T’, zwei Berliner Bands und ‚Boing’ aufeinander. Und diese Konstellation aus ehemaligen Teilnehmern und Gewinnern hat sich nur aus dem Jugendfestival ergeben. |
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Etabliert war der Anker als Veranstaltungsstätte schon lange, aber noch nie so stark im Jugendbereich. „Da wollten wir immer gerne hin.“ Gibt Heike Engel zu. Nun haben sie es geschafft. Wenn man den enormen Aufwand betrachtet, der jährlich mit dem Festival verbunden ist und man weiß, dass die Clubs auf die zahlenden Gäste angewiesen sind (der Obolus liegt übrigens gerade mal bei 3 und 4 Euro), stellt sich die Frage, ob in mancher Hinsicht auch effektiver gearbeitet werden könnte. Beispiel Öffentlichkeitsarbeit: zur Zeit bewerben die Clubs sehr unabhängig voneinander und in sehr unterschiedlicher Qualität ihre Vorausscheide. Warum lässt sich die Werbung und die Pressearbeit nicht von einer zentralen Stelle aus steuern? „Ich bin sehr dafür.“ Meint dazu Heike Engel. „Das Problem ist aber ..., wir beschäftigen keine Agentur, können wir gar nicht bezahlen. Das wäre im Prinzip der Punkt, an dem wir immer hängen bleiben. Denn es gibt natürlich Clubs, die sind ganz stark interessiert und die bewerben das auch ganz stark. Die sind sowieso im öffentlichen Geschäft drin und können das auch. Und dann gibt es Clubs, die haben damit nicht viel zu tun, die veranstalten nicht sehr viel und demzufolge kennen sie die Medienpartner nicht.“ Eine Person aus den eigenen Reihen, die das für alle übernehmen würde, steht nicht zur Verfügung. Da kommt es auf die Initiative der einzelnen an. Und die ist offenbar unterschiedlich stark. Auf ein einheitliches Plakat, das sämtliche Termine und Veranstaltungsorte nennt, konnte man sich in diesem Jahr schon mal verständigen. Damit wurde überregional geworben. Und eine Postkarte gibt es, die gut ankommt und gern mitgenommen wird. „Das sind die Sachen, die wirklich von einem Punkt aus laufen. Die laufen über den Anker.“ |
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Unterschiedliches Know How macht es also schwierig, zusammenzufinden und unterschiedliches Engagement macht es nicht leichter, sich gegenseitig zu unterstützen. „Wir haben das schon übernommen. Also, wir haben gesagt, o.k. der Stephan (Anmerkung: Veranstalter im Kanal 28) macht das zum ersten Mal. Wir unterstützen den Stephan komplett. Wir haben zum Beispiel unsere Technik hingestellt. Wir haben auch den Techniker gestellt.“ Für einen Neueinsteiger reichen die Fragen vom Aufbau des Schlagzeugs über den Soundcheck bis hin zu den Bandkontakten. Da kann für einen Mentor schnell mal ein Tag Vor-Ort-Einsatz anfallen. So ist das. Die Anker Crew gehört eben zu den erfahrenen in der Branche und ist das Kämpfen gewöhnt. Spätestens seit der Veranstaltungssaal im Juni 2003 durch das Bauordnungsamt aufgrund starker sicherheitstechnischer Mängel kurzzeitig geschlossen und später nur mit starken Einschränkungen wieder freigegeben wurde, hängt über der ganzen Kulturstätte das Damoklesschwert. Nun war in der lokalen Presse zu lesen, dass auf Antrag einiger Stadträte hin die Stadt prüfen werde, welche Kosten es verursachen würde, den Anker soweit zu sanieren, dass wieder 200 Gäste mehr Einlass finden könnten. Zur Zeit beschränkt die Auflage des Bauordnungsamtes auf 99 Personen. Ist das nur ein politischer Wellenschlag, oder was verspricht sich der Anker von dieser Wendung, nachdem der Investitionsbedarf solange vehement geleugnet wurde? „Das Kulturamt hat bis zum Schluss die Hände vor die Augen gehalten und noch in der letzten Ratsversammlung im Juni 2003 auf eine Anfrage eines Stadtrates gesagt, der Anker wird nicht geschlossen. Am 30.6. haben wir das Schreiben gehabt, dass der Anker geschlossen ist. Wir haben natürlich sofort rebelliert, zusammen mit den Stadträten, haben wir sofort einen Vor-Ort-Termin mit dem Bauordnungsamt gemacht. Da gab es noch mal einen Auflagenkatalog. Bestimmte kleinere Auflagen hat das Kulturamt nach und nach erledigt, so dass wir im Januar für 99 Personen wieder kleinere Veranstaltungen durchführen konnten.“ |
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Doch mit 99 Personen rentiert sich keine Veranstaltung und das Haus steht und fällt mit den Eigenmitteln, die über die Gastronomie und den Saalbetrieb eingenommen werden. Denn Eigenmittel sind unbedingte Voraussetzung für den Erhalt von Fördermittel. So geriet das gesamte Konzept ins Wanken. „Wir haben gekämpft. Wir verdanken es wirklich den vielen einzelnen Stadträten, die bei uns im Norden zuständig sind. Wir verdanken es dem Stadtbezirksbeirat, wo ich jeden Monat zu Gast sein darf und wo der Anker immer wieder auf der Tagesordnung steht ... Ohne diese politische Unterstützung hätten wir es überhaupt nicht so weit gebracht. ... Daraufhin hat sich das Kulturamt erst mal wieder Gedanken gemacht. Jetzt ist ja die Verwaltung gezwungen worden, wieder mal ein Konzept aufzustellen. Obwohl das Kulturamt den Anker schon lange abgeschrieben hatte und gesagt hatte, nein, es gibt keine Investitionen.“ Nach den vielen Zuarbeiten der Stadträte, nach der Unterstützung über alle Fraktionsgrenzen hinweg, besteht nun also berechtigte Hoffnung auf eine Sanierung in Etappen, die möglicherweise bereits im 2. Halbjahr 2005 beginnen kann. Dass damit ein wichtiges Standbein des Anker e.V. gesichert wäre, ist für die gesamte Jugendarbeit der Einrichtung von Bedeutung. Und die wird von den Menschen im Leipziger Norden, insbesondere natürlich von den Jugendlichen super angenommen. „Wir hatten gerade heute wieder ein Kinderfest gehabt. Das wurde unheimlich gut angenommen. Ich glaube knapp 300 Besucher! Es war wirklich toll. Wir könnten einen Tanzkurs nach dem anderen aufmachen, die ganzen Mädels wollen alle tanzen. Der Jugendtreff läuft durch die Spielstraße. Wir haben jetzt auch draußen den Streetball-Platz.“ Rosige Zeiten für den Norden also? Die hängen von den Entscheidungen ab, die nun bezüglich der Sanierung getroffen werden. pepe |
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