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LE-Nightflight

Rezension

mad X-ray

Fire Action

VÖ 25.08.05/ palmo music

  
9 kleine Sensationen, die viel Aufmerksamkeit und Geduld fordern und dann mit 9 kurzen Erlebnisreisen belohnen, die über Rock-Pop-musikalisches Neuland führen: die Rede ist vom neuesten ‚Mad X-Ray’-Album „Fire Action“

Fire Action“ heißt die CD, die in attraktivem rot-schwarzen Outfit am 25.08.2005 veröffentlicht und deren Release Freitag, den 23.09.2005 in der Nato gefeiert werden wird. Verlegt wurde das hübsche Ding bei dem Leipziger Independent-Label Palmo Music. Die Copyrights für Music wie auch für die Covergestaltung liegen bei ‚Mad X-Ray’. Womit schnell gesagt ist, dass alle Leistungen von der Musikproduktion über das Artwork bis zum Vertrieb aus einer Hand kommen, nämlich von Mirko Schulze, Manuel und Mario Noll. Die drei Leipziger Musiker sind ‚Mad X-Ray’ und gehören als solche bereits seit 10 Jahren zu den innovativen Formationen in der Szene.

Mit ihrem 2002 bei Noiseworks Records erschienenen Album „Terz“ überzeugten die „kreativen Vorreiter“ (Metal Hammer) Publikum und Presse. Jetzt legen sie nach, knüpfen besonders hinsichtlich der Gitarrensounds und Rhythmiken an gewohnte Qualitäten an, verfolgen aber insgesamt mit der neuen Scheibe ein anderes Konzept. Während ‚Terz’ psychedelisch durchwoben war, sich ein Titel aus der Stimmung des vorangegangen heraus entwickelte und sich so der Spannungsbogen 45 Minuten lang über ein Gesamtwerk zog, ist der starke Zusammenhang der neun Songs bei „Fire Action“ nicht so deutlich. Viele der Titel rocken mehr nach vorn. Die beständig aber subtil vorwärtsdrängenden Melodien sind ein Stück den meistenteils klareren Songentwicklungen gewichen. ‚Mad X Ray’ haben sich - was man bei aktuelleren Life-Auftritten schon feststellen konnte - verändert.

Psychodramen spielen sich nicht mehr ab. Die Musik ist durchgängig kraftvoll, packend, direkter und wird insgesamt in höherem Tempo „durchgezogen“. Dennoch gibt es neben Titeln, die in rasender Geschwindigkeit mit erbarmungslosem Beat vorangetrieben werden, immer wieder auch Ruhepunkte, viel Melancholie und Raum für atmosphärische, verzaubernde Sounds. Nach wie vor setzen ‚Mad X Ray’ unerwartete Breaks, werfen wie nebenbei rhythmische Jokes ein, spielen mit den Harmonien und mit den Sounds. Die Songtexte erzählen zuweilen bildhaft aus Sicht des Erzählenden. Rätselhafte Geschichten und die „monster in your brain“ sind seltener.

Manchmal muss der Tagträumer zu sich selbst finden, in sich gehen, um sich zu verstehen. Die Träume führen ihn weg. Ebenso führt die Musik den Zuhörer davon. In „daydreamer“ zeigt die Band, dass sie es immer noch versteht, fesselnde Hooks in interessanten harmonischen Entwicklungen vielschichtig umzusetzen. Der Opener des Albums erinnert an Terz-Qualitäten auch hinsichtlich des Spannungsaufbaus und der feinen, differenzierten Schlagzeugarbeit.

Die folgenden Titel strapazieren mehr, setzen mit der durchgängigen Intensität den Zuhörer unter Druck. Sie sind meist von Anfang an sehr intensiv, werden dann lauter aber nicht unbedingt noch spannungsreicher. Am Morgen mit dem eigenen Spiegelbild konfrontiert, scheint der Betrachter fast panische Zustände auszustehen und mit sich selbst nicht in Einklang zu kommen. „go up in smoke“ heißt der zweite Song, der beim Hören irgendwie für inneres Unbehagen sorgt.

Hier schließt sich einer der Ruhepunkte des Albums an. Bei dem sanften, nachdenklichen Titel „in the morning“ wird zur Akustikgitarre gegriffen und die E-Gitarre übernimmt die Begleitstimme. Ein sehr schöner, entspannter Titel, der zwar nicht die subtile, aufwühlende Spannung bereithält, aber eine gelassene Atmosphäre vermittelt, bevor es anstrengender mit „motorest“, „monster“, „hc70“ und „no comment“ weitergeht.

Atemlos, das Herz rasend hetzt man nun mit ‚Mad X-Ray’ durch „motorest“. Wie die erzählende Person lässt man sich jagen - vom vorwärtstreibenden Rhythmus, vom schrägen Keyboardsound zu Beginn und den aufwühlenden Gitarren. Nicht zurückschauen, weiterrennen. Dabei verfliegen die Stunden, obwohl doch eigentlich nur auf den einen Moment gewartet wird. Der Druck, das Herzrasen, die Angst ‚es’ zu verpassen, werden immer größer. Bis man zum Schluss des Titels nicht am Ziel aber am Ende der Kräfte ist.

Doch kein Verweilen, da geht es schon übergangslos mit der selben Intensität zu den Monstern. Vom nervenden Bass-Zweier-Grundschlag her sind sich „go up in smoke“ und „monster“ auffallend ähnlich. Das Tempo wird aus dem vorangehenden „motorest“ übernommen. Auch „hc70“ verschafft noch keine Entspannung. Der Song fällt zwar in der Lautstärke wieder etwas zurück, ist aber dennoch von Anfang bis Ende sehr kraftvoll und lässt dem Zuhörer damit auch keinen Moment zum Aufatmen. In den letzten Sekunden erhält er allerdings unvermittelt einen ruhigen Ausklang.

no comment“ ist dann mal wieder ein Stück, was sich von seiner Dramaturgie her etwas vielseitiger entwickelt. Es beginnt wie die meisten durchgängig druckvoll rockend. “Easy come and easy go” Ist wohl normal. Nur nach ‚zufrieden’ und ‚einverstanden’ klingt es nicht. Die unterschwellig geäußerte Frage „...what you think, let me know...“ leitet den Stimmungswechsel ein. Die Musik setzt aus. Hörkino. Ein Flugzeug fliegt in der Ferne davon, Vögel kreischen, Stimmen rufen irgendwo und verlieren sich in der allgemeinen Geräuschkulisse. Und von weit her klingt leise der Bass, bevor sich die Single-Notes der Gitarre wieder einmischen und stärker werden. Der Titel schließt wie er begann, kraftvoll.

never ending“ beginnt mit bluesigem Mundharmonikaspiel, dem eine sich dahin schleppende, irgendwie geheimnisvoll traurige Gitarrenmelodie folgt, sparsam begleitet von wenigen prägnanten Basstönen und einem differenziert gespielten Schlagzeug. Melancholisch, schwermütig entwickelt sich das Stück, fesselt den Zuhörer. Erzählt wird von Verlust und Erinnerung. Kein Titel für depressionsgefährdete Menschen! Denn allein vom Zuhören fühlt man sich irgendwie schwermütig und beginnt auf eine unbestimmte innere Traurigkeit zu hören. Ein weiterer ‚Mad X Ray’-Song, der meisterhaft Stimmungen in den Zuhörer hinein projiziert!

Eine der Perlen des Albums ist zweifellos das Instrumentalstück “before sunset”, mit dem die Platte endet. Langsam schwingt der Sound von der Ferne heran, wird klarer. Gitarre und Keyboardsound bekommen Prägnanz. Schlagzeug und Bass führen den Rhythmus wieder konsequent fort, wobei der Druck durch den satten Bass permanent gesteigert wird. Die später eingespielte Trompetenstimme wiederholt stetig und gleichmäßig ihr plakatives, kurzes Thema. Erholsam und irgendwie versöhnlich klingt so das Album aus - nachdem sich alle anderen Instrumente bereits verabschiedet hatten mit der langsam verhallenden Trompete.

Eine Kurzwertung nach dem x-Sterne-Prinzip dürfte sich bei dem neuesten Werk von ‚Mad X Ray’ nicht machen lassen. Erwartet man ein geschlossenes Musikwerk, bei dem man sich die Kopfhörer aufsetzt und von der ersten bis zur letzten Minute in einer Story versinkt, wie man es bei „Terz“ erlebte, könnte man enttäuscht sein. Diesen starken Zusammenhalt findet man bei „Fire Action“ nicht. Vielmehr haben es die drei Soundtüftler geschafft, 9 Stücke zu präsentieren, von denen jedes für sich eine Entdeckungsreise ist. Typisch und im wahrsten Sinne unvergleichlich sind wieder die reibenden Harmonien und die provozierenden Sounds, zu denen man sich mittlerweile keine passendere als die spröde, flache und manchmal ein bisschen angewidert klingende Stimme von Mario vorstellen kann. „Fire Action“ ist eine illustre Sammlung 9 gehaltvoller Delikatessen, die sich dem aufmerksamen Zuhörer nach und nach erschließen und auch nach mehrfachem Hören noch nicht abgenutzt sind.
 
pepe

 

Mehr Infos unter www.mad-x-ray.de oder www.palmo-music.com .

 

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