Till Brönner

- Blue Eyed Soul Tour -
Dienstag, 22. Oktober 2002,
Lindenfels, Leipzig


Ohne großes Show-Gehabe beginnt „Deutschlands bekanntester Jazzmusiker“ sein Konzert im mäßig besuchten Lindenfels. Sein achtes Album „Blue Eyed Soul“ hat er im Gepäck, nach seinen eigenen Worten „... die Bündelung meiner letzten musikalischen Lebenserfahrungen aus Jazz- und R’nB-Welt.“

Nun ist spätestens seit Guru oder der Jazzkantine die Verschmelzung von Soul, HipHop und Jazz keine Revolution mehr, aber dass Till Brönner in den unter Beteiligung des Co-Produzenten DJ Samon Kawamura entstandenen Titeln völlig andere Einflüsse umsetzt und zu einer ganz eigenen Sprache, zu einer gänzlich anderen Musik gefunden hat, ist unstrittig zu hören. Wie soll man es nun also beschreiben, welche Vergleiche soll man ziehen, um all den Unwissenden, die es an diesem Dienstag nicht in die Schaubühne Lindenfels geschafft haben, zu erklären, was sie verpasst haben? Der Meister selbst dazu: „Ich mache Musik. Wie man sie nennt, ist mir egal.“

Die einzelnen Titel haben durchaus alle ihre eigene, unverwechselbare und eingängige Melodie. Insgesamt reihten sie sich leichtfüßig aneinander, wobei ein großer Bogen gespannt wurde, der an keiner Stelle Langeweile aufkommen ließ. Till Brönners Spiel auf der Trompete oder auf dem Flügelhorn ist einzigartig weich und warm. Die Triller fließen flink und leicht dahin ohne zu nerven. In “Tub of Love” singt er mit eben so warmer Stimme und begleitet sich selbst auf dem Flügelhorn. Allerdings war sein Gesang live nicht ganz so akzentuiert wie auf dem Album.

Und so swingt und jazzt es zwei Stunden lang, nicht ohne blues, nicht ohne soul. Smooth und easy schleichen sich die Melodien in unseren Kopf, unsere Seelen. Keine Musik, die nur so dahindudelt, aber es fließt ruhig, zum relaxen und wohlfühlen. Eine gnadenvolle Symbiose haben da ganz offenbar der DJ und der Jazzer gebildet. Tiefgründige Improvisationen, aber keine endlos nervenden, etüdenhaften Stücke sind in dieser Gemeinschaft entstanden, voller Klarheit, Geradlinigkeit, aber auch voller Gefühl. Die restlichen Bandmitglieder, alle längst keine unbeschriebenen Blätter mehr, bewiesen jeder auf seine Weise hohe Qualität. Alle sind seit Jahren auf der internationalen Bühne präsent und machten sich bisher als Bandleader, in verschiedenen Sideprojekten, als Studiomusiker und Tourbegleitung in der Jazz-, Pop- und Rockwelt einen Namen.

Bruno Müller (Gitarre), über den Freund und Kollege Kaphengst sagt, seine funky rythm guitar grooves wären Weltklasse, wurde unter anderem schon von Gloria Gaynor und Charlie Mariano gebucht. In „Little Sun Flower“ brillierte er solistisch mit kraftvollen Läufen und einem markanten, vollen Sound auf der Semiakustik-Gitarre. Präzisesprangen seine Finger von Saite zu Saite und ließen die Töne wie große Regentropfen perlen. Mit Christian von Kaphengst (Kontrabass, Orgel, Elektrobass), verbindet ihn seit einigen Jahren das Jazzquartett „Café du Sport“, mit dem sie 2000 beim Hennessy Jazz Search den ersten Preis gewannen. Das Kaphengst einer der angesagtesten Studiomusiker ist, den Tourneen durch Ost- und West-Europa ebenso wie nach Australien und in die USA führten, ist keine Frage. Seine Vielseitigkeit an Elektro- und Kontrabass wie an der Orgel war verblüffend. Dabei diente er immer dem Ensemble, hatte es nicht nötig, sich in den Vordergrund zu drängen, bestach mit einem warmen sanften und klaren Spiel und ließ auch den herrlichen alten Hammondorgel-Sound wieder aufleben. Am Schlagzeug gab Wolfgang Haffner einen relativ mächtigen Bums vor. In „Love Somebody“ durfte er sich solistisch ausleben und bewies einen kraftvollen, derben Schlag. Die Liebe zum Jazzrock und zu den tanzbaren Rhythmen merkt man ihm an.

Gemeinsam mit Roberto di Gioia ist er maßgeblicher Mitgestalter des HipHop-Jazz Projektes „Zappelbude“. Auch diese beiden Musiker, die sich schon seit Jahren kennen, unter anderem durch ihre Arbeit bei Klaus Doldingers „Passport“, führten Tourneen durch die ganze Welt und auf wichtige Jazz-Festivals. Roberto Di Gioia, im Lindenfels der kleine Mann ganz groß am Fender Rhodes und ansonsten auch am Elektrobass und am Clavinet anzutreffen, nach eigenen Aussagen stark von Klaus Doldinger beeinflusst, spielt bereits seit 1990 bei Passport. DJ Samon Kawamura belebte die Titel vielfältig durch elektronische Sounds, eingeworfene Chorpassagen, tausend kleine Geräusche, die sich harmonisch in den Gesamtverlauf einpassten und natürlich durch geniale Scratches, die er mit seinen schnellen Fingern zauberte. Gaststar des Abends war zweifellos Kermit. Im Duett mit Till Brönner brachte er den alten Klassiker “It’s not that easy being green” zu Gehör und rührte uns alle. Schade nur, dass der beliebte Frosch diesmal Playback sang.

Ein bisschen gebremst schienen die Musiker leider dennoch den ganzen Abend lang. Erst bei der Zugabe: „Just The Way You Are“ von Billy Joel schien der Dampf abgelassen zu werden. Bruno Müller griff zur Fender, bot ein heftiges Gitarren-Solo und beim Duett von Gitarre und Trompete trieben es die Musiker noch mal auf die Spitze. Die Instrumente tobten. Endlich durften alle das rauslassen, was zwei Stunden lang zurückgehalten wurde.

Die Video- und Dia-Projektion auf großer Leinwand zeigte neben Außenaufnahmen immer wieder drehende Plattenteller und schöne Technik-Details. So richtig schlüssig wurde allerdings kein Zusammenhang zur Musik hergestellt. Insgesamt schien sie damit etwas konzeptionslos. Schade.

Dankbar müssen wir Till Brönner sein, dass er es durchsetzen konnte, dass das Gestühl im Parkett wieder beräumt wurde. So war es möglich, sich frei vor der Bühne rumzudrücken. Einige Ausgegrenzte hingegen waren gezwungen, auf den Kino-Bänken am Saalende sitzen zu bleiben. Ein größeres Erlebnis wäre es gewesen, wenn sich alle zusammen vor der Bühne gedrängelt hätten. Dann wären die vorderen Reihen sicher auch etwas mutiger geworden, hätten die viel zu gute Erziehung für zwei Stunden ablegen können. Schließlich wäre vielleicht noch der Funke zwischen Publikum und Musikern ganz übergesprungen, die Stimmung am kochen gewesen, eben wenn vor und auf der Bühne die Zügel lockerer gelassen worden wären.

pepe