Adam Holzman

Dienstag, 05. November 2002,
Spizz, Leipzig

Wieder ein heißer Herbst in Leipzig’s Jazzlandschaft, erst Billy Cobham auf seiner ‘Culture Mix’-Tour, dann das 26. Leipziger Jazz-Festival mit Namen wie Mino Cinelu, Charlie Mariano, ganz nebenbei Jazzkantine in der Moritzbastei und Till Brönner im Lindenfels, um nur an einige Highlights zu erinnern. Wer in der 45. Kalenderwoche in den SPIZZ kam, konnte auch nichts falsch machen. Denn zum Leipziger Herbst Jazz Fest traf sich hier ohne Frage die Creme der internationalen Jazzwelt.

Nach dem Starschuss durch den fünffachen Grammy-Gewinner Eddie Palmieri mit Latin Jazz und Salsa am Montag, versammelte Keyboarder Adam Holzman seine ‚Brave New World – Band’ im Markt 9, um seinen Cyber Fusion Sound vorzustellen, bevor am Donnerstag Pharoah Sanders mit seiner hochkarätigen Band dieses Podium besetzte.

Adam Holzman, ehemaliges TuTu-Mitglied und langjähriges Livetour-Mitglied bei Miles Davis, arbeitete unter anderem auch mit Wayne Shorter, Chaka Khan, Michel Petrucciani und nahm einige Solo-Alben auf. Als Sohn des Präsidenten der Elektra Records machte er bei Zeiten Bekanntschaft mit etlichen namhaften Musikern. Er interessierte sich für den Progressive Rock von ‚Emerson, Lake & Palmer’ und ‚Yes’ und entwickelte nicht zuletzt hierüber seine Liebe zu Jazz-Fusion und Synthesizern. Durch seine Arbeit in Goodman’s Music Store in Los Angeles wurde er mit dem neuesten Hightech Equipment der MIDI Technik konfrontiert, machte sich einen Namen als Synthesizer Programmierer und Spieler und kam auf diesem Wege zu verschiedenen Studio Gigs.

In Adam Holzman’s Spiel findet sich die technische Reife des Synthesizers in genialer Weise vereint mit der Innovationskraft und Musikalität sowie dem tontechnischem Know How. Bemerkenswert sind seine sehr konzeptionellen Soundcollagen, die in die Komplexität der Musik eingebunden werden. Der Grenzgänger zwischen Fusion, Jazz und Rock stellte aber nicht nur seine Kreativität anhand von innovativen, ausgefeilten und vielseitigen Sounds am Fender Rhodes und den Synthesizern unter Beweis, wobei er origineller Weise häufig auch das Wha Wha Pedal einsetzte. Der Soundtüftler ist vor allem auch ein hervorragender Pianist, der mit Leichtigkeit großartige Improvisationen zaubert. Zwar bestimmte er von seiner Position aus immer wieder den Verlauf der Stücke, dennoch ließ er dem Saxophonisten Aaron Heick jeden Raum, als Solist im Vordergrund zu stehen.

Insgesamt bildete die Band eine geschlossene Einheit, obwohl oder gerade weil die Rollenverteilung zwischen den einzelnen Mitgliedern ständig wechselte. Jeder der Musiker glänzte in Soli mit außerordentlicher Spieltechnik, Kreativität und Originalität und war ebenso in der Lage, sich zurückzunehmen und dem momentanen Solisten den passenden klanglichen Rahmen zu gewährleisten, oder aber den Groove vorzugeben. Im Zentrum stand die Musik. Ihr wurde gedient, gleichgültig in welcher Position sich der einzelne Musiker befand. Dadurch entwickelten sich die Stücke geradlinig und logisch und waren dennoch voller Abwechslung und Vielschichtigkeit. Die Themen wurden zusammen mit der Führung des Stückes nahtlos von Instrument zu Instrument weitergereicht, aufgebaut und weitergeführt. Ohne jeden Bruch konnte sich auf diese Weise Spannung und Intensität entwickeln. In der Universalität zeigten sich deutlich die Studioqualitäten der Mitspieler.

Aaron Heick zählt zu den besten und meistgebuchtesten Saxophonisten. Das Ex-Chaka Kahn-Bandmitglied spielte auch mit Paul Simon und wurde für unzählige Studioaufnahmen engagiert. Bei ‚Brave New World’ ist Heick seit neun Jahren fester Bestandteil. Mit seinem meistens sehr kraftvollen Spiel machte er Druck und trieb die Stücke vorwärts. Aber auch ein sanftes Saxophon war zu erleben und übergab dem Piano eine schöne Melodie, welche dieses ruhig und getragen weiterführte. Der Schlagzeuger klopfte mit dem Stock dumpf auf den Trommelrand und ließ dazu das Highhead zart klingen. Der Bass ebenso zart und kaum merklich unterstützte, bevor das Saxophon wieder übernahm. Mittlerweile hatte sich auch die Gitarre wieder eingemischt. Ein lockeres, fröhliches Zusammenspiel kristallisierte sich heraus. Nach einem beschwingten Gitarrensolo voller leichtfüßiger Triller und Läufe fanden sich alle in ausgelassenem gemeinsamen Spiel wieder. Der Schluß des Stückes wurde ruhig und sanft vom Saxophon herbeigeführt bis der letzte Ton langsam luftig verhallte.

Eine Entdeckung Billy Cobhams ist Alex Elana. Mit vierzehn Jahren bereits erhielt er vom großen Meister des Schlagwerks Unterricht und wurde von Cobham protegiert. Das jüngste Mitglied der ‚Brave New World-Band’ spielte unter anderem mit Sandra Bernard, bevor er nach New York wechselte arbeitete er fünf Jahre in der Londoner Studio Szene, auch für Aretha Franklin. Sein Drumspiel ist sehr vielfältig und facettenreich, versehen mit wunderschönen Fills, dennoch aber immer sehr konsequent, geradlinig und prägnant. Eine seiner Spezialitäten ist der unkonventionelle Einsatz des Schellenkranzes, den er schon mal zum Trommel schlagen benutzt oder effizienter Weise zum mitklingen gleich auf das fußbetätigte Highhead legt. Immer bewieß er maßvolles und spannungsreiches Spiel, gerade auch am Highhead, dass er über eine lange Strecke zart und leise ausschließlich bediente, bevor er nach und nach die Becken und später kleine und große Trommeln einbezog, die Intensität beständig steigernd.

Auch der Bassist Freddy Cash arbeitete bereits mit Künstlern auf der ganzen Welt, zum Beispiel spielte er mit Jean-Paul Bourelly und bei ‚Arrested Development’. Bei seinem extrem weichen und ruhigen Spiel wirkte er fast regungslos, war ständig hochkonzentriert und zeichnete sich durch Konsequenz sowie äußerste Präzision aus. In seinen Soli slappte er zuweilen über die Seiten und tapste ebenso gutmütig trottend wie leichtfüßig durch die Harmonien, immer absolut präzise.

Als ‚einer der heißesten Gitarristen New Yorks’ gehandelt ist Mitch Stein seit sechs Jahren bei ‚Brave New World’ dabei. Er spielte unter anderem mit David Sandborn, Chaka Khan, der ‚Mino Cinelu Group’ und leitet seine eigene Band ‚The Hermanators’. Er zeichnete sich ebenso wie seine Mitstreiter durch absolute Professionalität aus. Ob sich die Gitarre in einer munteren Unterhaltung mit dem Bass über das musikalische Thema auslässt, oder zur Unterstützung der Improvisationen des Saxophonisten einen Klangteppich aus Gitarrensound schafft, nie spielt er sich in den Vordergrund sondern ordnet sich ins Gesamtkonzept ein. Er bietet keine strapazierten, ausufernden Gitarrenläufe aber immer hohes spieltechnisches Können.

Nach gut zwei Stunden Konzert verabschieden sich noch mal alle im Zugabenteil mit ausgeprägten Solis von ihrem begeisterten Publikum, dem Freddy Cash zuvor noch eine Liebeserklärung ausprach.

pepe