55. Gigantenstadl –

Record-Release Sonaurus – 16.06.02 Moritzbastei


Für alle Verfechter meisterlichen Könnens in Verbindung mit Kreativität und Originalität, gab es am 16.06.2002 keine Entschuldigung, das 55. Gigantenstadl in der Moritzbastei zu verpassen, welches mit großem Aufwand und vielen schönen Ideen federführend von Marion Klut und Wieland Kluge (IG-Pop) für die Bands und Fans organisiert worden war. Fünf Bands der Leipziger Oberliga, längst über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und beim informierten Publikum keine Insidertipps mehr, gaben sich die Ehre und feierten mit den Gästen eine gigantische Party. Am Abend war dann mit ‚LIMBUS’, ‚mad X-ray’, ‚seventh lane’, ‚sonaurus’ und ‚PalmoLive’ Musik zu erleben, die sich durch ihre Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit auszeichnet und nicht in Schubladen zu sortieren ist.

So verwundert es wenig, wenn ‚LIMBUS’, eine Band irgendwo zwischen Hardrock, Folk und Brit-Pop, oder doch eher zwischen allen Welten (?), zuweilen mit ‚Smashing Pumpkins’, ‚Nirvana’ und ‚Sting’ gleichzeitig verglichen werden. Auf jeden Fall ignorieren sie alle vermeintlichen Schranken und kleiden fast melancholische Pop-Titel in harten Rock. Eine interessante Klangfarbe erhält die Musik durch die Violine, die sich mit erstaunlicher Kraft gegenüber dem lauten Sound von Gitarre, Bass und Schlagzeug behaupten konnte. Untermalt wurde das Erlebnis durch eine Dia-Projektion, wobei der Zusammenhang zwischen dem Inhalt von Musik und Bildern sich nicht so recht erschloss und damit diese schöne Idee in ihrer Umsetzung noch etwas ziellos wirkte.

Nahtlos ging das Konzert mit ‚mad X-ray’ in der Tonne weiter. In bescheidener Besetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug arbeitete die Band zielstrebig und konsequent an unserem Untergang. Wir, das Publikum hatten keine Chance, dem fesselnden Groove und der magischen Klangwelt zu entgehen. Die Titel wurden sehr straight durchgespielt. Wobei die Spannung unmerklich aber zielstrebig gesteigert und zum Höhepunkt geführt wurde. Gebannt bewunderten wir das Treiben des trommelwütigen Schlagzeugers, welches dieser mit unglaublicher Flexibilität und unendlich genialen Fills veranstaltete. Es schien, als ob hier hochkonzentriert der Irrsinn tobte. Am Ende einer geilen Mugge, wurde ‚mad X-ray’ dann auch nicht ohne Zugabe von der Bühne gelassen, während in der Ratstonne schon ‚seventh lane’ grungigen Rock druckvoll und kompakt über die Rampe brachte.

Die Siegerband des Hallenser Kick-Start-Nachwuchsfestivals 2000 besteht aus fünf jungen Musikern, die mit großer Spielfreude und Energie ihre zumeist eigenkomponierten Titel ebenso jung und unverbraucht vortrugen. Da wirkt es auch eher sympathisch, wenn der Sänger bei Konzerten schon mal an die Grenzen seiner stimmbandtechnischen Möglichkeiten gerät. Bei bereits hohem Niveau steckt in dieser Band sicher noch Potential, auf dessen Freilegung man gespannt sein darf.

Fast schon alte Hasen feierten derweil in der Tonne Record-Release. Nach intensiver Studioarbeit stellten ‚sonaurus’ ihre „more songs about the reptile“ vor und erfreuten ihre Fans mit einem geschlossenen Gesamtkunstwerk, in welches sich eine Videoprojektion einordnet. Die Bilder, die inhaltlich im Bezug zu den Titeln stehen, sind größtenteils aus der Perspektive des Beteiligten gedreht und ziehen den Betrachter so unmittelbar ins Geschehen hinein. Stoner Rock nennen die Sonauten selbst ihre Musik. Berauschend ist wohl auch die treffendste Beschreibung für die experimentellen Sounds und Harmonieverläufe, die den Zuhörer auf subtile Weise aufputschen. Mit seinem filigranen, facettenreichen Spiel brachte der Drummer den besonderen Drive. Etwas zu lange Pausen zwischen den Titeln verrieten charmant noch etwas Unbeholfenheit, waren aber leider dem Spannungsbogen des gesamten Konzertes nicht zuträglich.

Das Fest ging stimmungsvoll in der Ratstonne mit ‚PalmoLive’ und sphärischen Klängen vom Synthesizer zu ende. Auf dem Boden verstreute Papierchen, Teelichte und Musik, die an ‚Massiv Attack’ oder ‚Kruder und Dorfmeister’ erinnerte, ließen an einen Voodoo-Zauber glauben und entführten uns noch einmal in unbekannte Sphären.