ein Bericht über

Ute Lemper
Dienstag, 6. August 2002,
Gewandhaus, Leipzig

Mit Ute Lemper hatte Leipzig einen international anerkannten Star zu Gast, welcher für hohe Performance-Qualität steht und wie kaum ein anderer Künstler die deutschen Kritiker polarisiert.

Die Seelenverwandschaft zu Marlene Dietrich lässt sich nicht verleugnen, dennoch ist das was Ute Lemper zu bieten hat mehr als das Nachahmen eines Idols. Sie tritt weit aus dem Schatten der ebenso von der deutschen Kritik geschmähten Variete-Ikone. Die Dittrich war ihr Leben lang frustriert über die Anfeindungen. Anders die Lemper. Sie pfeift auf die kleinkarierten Klischeedenker und geht den Weg ihrer Karriere außerhalb Deutschlands durch die Metropolen der Welt. Von Zeit zu Zeit kehrt sie zurück, um Ihre Fans zu erfreuen. Gefeiert wird sie von den Kritikern anderswo. Nach Engagements in New York, Paris und London gab sie eins der wenigen Deutschland-Konzerte in Leipzig. Da dies bereits zum zweitenmal geschah, liegt der Schluss nah, dass ihr das hiesige Publikum wichtig ist.

Ute Lemper ist nicht nur Sängerin sondern auch eine Entertainerin und Schauspielerin, die ihre Erfahrungen zum größten Teil in internationalen Musical-Produktionen erworben hat. Ihr gesamtes Auftreten scheint perfekt, fast mühelos und doch zeigt es sich in den Gesangs-Parts, in denen es jazzig eskalieren soll, dass die Spannung dennoch zu kontrolliert bleibt. Schade, weil sie ausbrechen könnte doch vom Gefühl her keine Jazz-Sängerin ist. So wirken manche Nuancen zu einstudiert. Sie kann sich nicht fallen lassen. Dadurch fehlt der emotionale Funke, der zwischen ihr und dem Publikum überspringen sollte. Das Publikum behielt brav Platz, beobachtete, applaudierte wohl wissend, dass hier Weltniveau geboten wurde. Doch die Distanz blieb und wurde auch nicht durch die langen Zwischentexte geringer. In denen gab sie sich weltgewandt und warf immer einmal Wortfetzen in Englisch und Französisch ein, was nicht unbedingt nötig schien

Dennoch. Die musikalische Reise durch die Großstädte dieser Welt war in jedem Song unterhaltsam und durch die teilweise ungewohnte Interpretation überraschend neu. Der Song ‚Mahagony’ von Weill startet als geshuffelter Rocksong, nimmt einen Exkurs über Jazz und endet liedhaft. Die Musiker ihres Begleit-Trios umschiffen jede Klippe und zeigen Extraklasse. Sie begleiten songdienlich effektiv und breiten den musikalischen Teppich aus auf dem sich die Lemper mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt. Neben dem Song ‚streets of Berlin’ aus dem Film ‚Bent’ war die Darbietung und Inszenierung des Songs von ‚Mackie Messer’ sehr aufregend. Ungewöhnlicherweise dominierte die funky Slap-Spielweise des Bassisten den Song und kurze Drum-Shots von Todd Turkisher wurden perfekt mit der Lichtszene synchronisiert auf den Punkt gebracht. Hier passte alles zusammen. Die Bewegungen der Diva, die Musik, das Licht. Mit großem Selbstbewusstsein interpretiert Ute Lemper zeitgenössisches und drückt allen Titeln ihren eigenen Stempel auf. Dies kann nicht immer voll überzeugen. Zum Beispiel der Song ‚purple avenue’ von Tom Waits. An den Stellen wo man bei Waits mitheulen möchte bleibt es kühl und kalkuliert, es fehlt der Schmerz, die Intensität. Diese Zurückhaltung wird am Ende auch durch das jazzige Basssolo von Reginald Washington nicht aufgebrochen.

Ute Lemper wird in Zukunft verstärkt eigene Songs interpretieren und gab mit ‚privat view’ eine Kostprobe zu Gehör. Der Song entstand unter dem Eindruck des 11. September und wurde nicht so glamourös interpretiert, wirkte wärmer und authentischer. Ebenso wie der einfache Chanson von Jaques Brell. Davon hätte man sich mehr gewünscht, denn hier zeigte sich echtes Gefühl.

Im Zugabenteil bekamen dann auch die Musiker noch einmal ihre Spots und demonstrierten was sich hinter ihrem sonst sehr disziplinierten Spiel noch erwarten liese. Am Piano lenkte der Berliner Pianist Andreas Schmidt mit hohem Können durch alle Genre.

Insgesamt war es ein gelungener Abend und das Publikum war zufrieden. Was eigentlich fehlte war die Spontaneität und die Arbeit mit dem Publikum. Immerhin, es war sehr gute Unterhaltung und immer auch ein Stück neben dem Mainstream. Die Klischees zu verlassen, dazu gehört hierzulande Mut, und den hat Ute Lemper mehrfach gezeigt. Man kann nur hoffen, dass sie nicht aufhört Genregrenzen zu ignorieren, auch wenn Elvis Costello behauptet die Lemper hätte im Song ‚punishing kiss’ seine Musik getötet.

flo