Mad X-Ray

Record Release - Terz
Samstag, 19. Oktober 2002,
NaTo, Leipzig

Man weiß, was man sich Wert ist. Unter einem Sektempfang geht’s nicht, wenn Mad X-Ray zur Record Release einladen. Und so wurden die Gäste mit einem Glas Sekt und dem neuen Album Terz begrüßt, als sie sich gegen 21:00 Uhr im Foyer einfanden. Noch herrschte die Ruhe vor dem Sturm. Gelassen wartete man ab. Die Spannung der Musiker war ganz offensichtlich größer, denn für das Publikum war eigentlich schon klar, dass es ein toller Abend werden würde. Es erwartete psychedelische Sounds, packenden Groove, kompakte Titel in feiner Spielart vorgetragen.

Gegen 21:30 Uhr wurde die Pforte dann geöffnet, langsam füllte sich der Raum. Und in milchig blaues Licht getaucht, strahlte er eine geheimnisvolle Ruhe aus. Erst gegen 22:15 Uhr rappelte es sich auf der Bühne. Der Zuschauerraum war nun auch gut gefüllt. Drei Klicks mit den Stöcken des Schlagzeugers (Manuel H. Noll) und schon nahm die Band uns mit auf die Reise durch den Space, durch die Tonarten, durch sich reibende Harmonien.

Die Erzähler verstehen die Kunst der Dramatik und der Spannungsbögen. Aus zähfließenden, aber konsequent vorwärtsdrängenden Melodien, die sich bleischwer auf’s Gemüt legen, mit denen der Zuhörer wie bei einem sich nur langsam und sehr undurchsichtig entwickelnden Krimi eingefangen und nicht los gelassen wird, werden in bis zu sechsminütigen Titeln aufwühlende und mitreißende Hooks. Ruhige, erzählende Passagen entwickeln sich zu aufgeregtem Durcheinander, das bis zum Ausrasten geführt wird. Gewaltige Gefühle werden gerade auch in einem der stärksten Titel, „Same as Yesterday“, verarbeitet. Kraftvoll beginnt das Trio auf dem Höhepunkt der Spannung mit derben Gitarrenriffs, zornigem bis verzweifeltem Schreien, druckvollem Bass und heftigem Schlagzeugeinsatz, schallenden Becken, bevor Gitarre (Mirko Schulze) und Bass (Mario Noll) in wilder Talfahrt über die Harmonien einen Wechsel einleiten, der mit einem plötzlichen Ruhepunkt eintritt. Träge fließt die Melodie nun weiter, traurig, fragend, noch unsicher hoffend und die Geschehnisse reflektierend entwickelt sich der Gesang, bis es erneut zum Ausbruch kommt und alles von vorn beginnt, as same as yesterday.

Auf dem neuen Album schließt sich nun übergangslos „The Story“ an. (Im Konzert folgte dieser Titel erst nach dem ebenfalls sehr expressiven „Liar“.) Rudi Haase erzählt reportageartig die Geschichte von einem Mann und einer Frau. Lakonischem Erzählen folgen ergreifende Gesangsparts, von gefühlsstarkem Akkordeonspiel (Ronny Kruschke) untermalt.

Die zahlreichen Gastmusiker, die am Erfolg des Albums beteiligt sind, standen zur Release leider nicht mit auf der Bühne. Außer den bereits genannten waren das Hansi Noack (Violine), Juliane Rotter (Cello), Michael Mohr (Rhodes), Toralf Pieper (Vocals) und Patrick Loimer (Keyboard).

Die intensive Musik von ‚Mad X-Ray’ lebt durch ihre musikalisch vielschichtige und dramaturgisch spannende Komposition. Jeder Ton, jede kleine Harmonie, jeder Drumhit haben ihren unbedingten Sinn und reihen sich Punkt für Punkt zu einer Geraden, die in die musikalische Welt von ‚Mad X-Ray’ führt.

Je genauer man sich die Platte anhört und je mehr man sich auf die vielen kleinen Zwischentöne, Effekte, Schwingungen konzentriert, wird man so verzaubert und in Beschlag genommen, dass der nicht ganz zufriedenstellende Mix und der etwas spröde Gesang, dem man häufig etwas mehr Präsenz wünschen würde, fast bedeutungslos werden. „Terz“ ist alles andere als leichte Kost und empfiehlt sich für aufmerksame Hörer, die Spaß daran haben, auf ungewöhnlichen Pfaden auf Entdeckungsreise zu gehen.

Die Fans dankten dem Trio, das an diesem Abend wieder vollen Einsatz gezeigt hatte (so sehr, dass sogar das Drumset zu leben begann und einige Male versuchte, seine grundsätzlich festgeschriebene Position auf der Bühne zu verändern) mit großem Applaus und Zugabe-Rufen.

In zwei Zugaben wurden wir dann auch weiter mit tausend schönen, kleinen Effekten verwöhnt, gaben Bass und Schlagzeug noch mal rockig hart, präzise und knackig einen unaufhaltsamen Groove vor, bis gegen 23:45 Uhr entgültig die Show zuende war. Wer jetzt noch nicht genug gefeiert hatte, konnte das mit ‚Mad X-Ray’ noch den Rest der Nacht lang im „Absturz“ tun. Dorthin wurde zur After Show Party eingeladen.

pepe